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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas
Autoren: Jeanette Walls
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behandelt mich gut, Dad«, sagte ich. Am liebsten hätte ich gesagt, dass ich bei Eric genau wusste, dass er mir nie den Gehaltsscheck klauen oder versuchen würde, mich aus dem Fenster zu werfen, dass ich immer Angst gehabt hatte, mich in einen saufenden, randalierenden, charismatischen Halunken wie Dad zu verlieben, und dass ich mir stattdessen einen Mann gesucht hatte, der das genaue Gegenteil von ihm war.
    Meine gesamte Habe passte in zwei Plastikkästen und einen Müllsack. Ich trug alles auf die Straße, winkte ein Taxi heran und ließ mich zu Erics Adresse fahren. Der Pförtner, der in blauer Uniform mit Goldbesatz unter der Markise am Eingang stand, kam herbeigeeilt und ließ es sich nicht nehmen, die Kästen in die Eingangshalle zu tragen.
    Erics Wohnung hatte frei liegende Deckenbalken und einen Kamin mit einem Jugendstilsims. Ich wohne wahrhaftig auf der Park Avenue, sagte ich mir immer wieder, als ich meine Sachen in den Schrank hängte, den Eric für mich leer geräumt hatte. Dann musste ich an Mom und Dad denken. Als sie in ihre besetzte Wohnung zogen - fünfzehn Minuten mit der U-Bahn und ungefähr ein halbes Dutzend Welten entfernt -, schien es, als hätten sie endlich ein Zuhause gefunden, einen Ort, wo sie hingehörten, und ich fragte mich, ob ich das auch von mir behaupten konnte.
    Ich lud Mom und Dad zu mir ein. Dad sagte, er würde sich fehl am Platze fühlen, und kam nicht, aber Mom ließ sich nicht lange bitten. Sie drehte Geschirr um und las den Herstellernamen, hob die Ecke des Perserteppichs an, um die Knoten zu zählen. Sie hielt das Porzellan gegen das Licht und schaute hinüber zu den großen Ziegel- und Kalksandsteinhäusern auf der anderen Straßenseite. »Die Park Avenue gefällt mir nicht besonders«, sagte sie. »Die Architektur ist zu monoton. Die Architektur am Central Park West ist mir lieber.«
    Ich erwiderte, sie sei die versnobteste Hausbesetzerin, die mir je untergekommen sei, und sie musste lachten. Wir setzten uns auf die Couch im Wohnzimmer. Ich sagte, ich müsse etwas mit ihr besprechen. Ich hätte jetzt eine gute Stelle, und ich wollte ihr und Dad helfen. Ich wollte ihnen irgendetwas kaufen, das für ihr Leben eine wirkliche Verbesserung war. Vielleicht ein kleines Auto. Vielleicht die Kaution und ein paar Monatsmieten für eine Wohnung. Oder die Anzahlung für ein Haus in einer preiswerten Gegend.
    »Wir brauchen nichts«, sagte Mom. »Es geht uns gut.« Sie stellte ihre Teetasse ab. »Ich mache mir vielmehr Sorgen um dich.«
    »Du machst dir Sorgen um mich?«
    »Ja. Große Sorgen.«
    »Mom«, sagte ich. »Mir geht es sehr gut. Ich fühle mich sehr, sehr wohl.«
    »Genau das macht mir ja gerade Sorgen«, sagte Mom. »Schau doch nur, wie du lebst. Du hast dich verkauft. Als Nächstes wählst du noch die Republikaner.« Sie schüttelte den Kopf. »Wo sind die Werte geblieben, mit denen ich dich erzogen habe?«
    Moms Sorgen um mich wurden noch größer, als mein Chefredakteur mir anbot, einmal die Woche eine Kolumne darüber zu schreiben, was sich bei den einflussreichen Leuten, wie er es formulierte, hinter den Kulissen abspielt. Mom fand, ich sollte Enthüllungsstorys über skrupellose Immobilienhaie, soziale Ungerechtigkeiten und den Klassenkampf an der Lower East Side schreiben. Aber ich sagte dem Redakteur begeistert zu, weil es bedeutete, dass ich zu den Leuten gehören würde, die über das, was wirklich lief, Bescheid wussten. Hinzu kam, dass die meisten Menschen in Welch zwar bestens darüber informiert gewesen waren, wie schlecht die Familie Walls dran war, aber sie selbst hatten auch ihre Probleme - sie konnten sie nur besser vertuschen als wir. Ich wollte der Welt die Augen öffnen, dass niemand ein vollkommenes Leben hatte, dass selbst die Leute, denen es scheinbar an nichts fehlte, ihre Geheimnisse hatten.
    Dad fand es toll, dass ich eine Kolumne über die Stink- und Neureichen, wie er sie nannte, schrieb, und er wurde einer meiner treuesten Leser. Er ging in die Bücherei, um sich über die Leute, die ich erwähnte, schlau zu machen, und rief mich an, um mir Tipps zu geben. »Diese Astor-Schnepfe hat 'ne bewegte Vergangenheit«, sagte er einmal zu mir. »Da sollten wir vielleicht ein bisschen nachforschen.« Schließlich räumte sogar Mom ein, dass ich es einigermaßen zu was gebracht hatte. »Keiner hat große Erwartungen in dich gesetzt«, sagte sie zu mir. »Lori war die Intelligente, Maureen die Hübsche und Brian der Unerschrockene. Du hattest nie
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