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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift
Autoren: Val McDermid
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da hielt, einem Rucksack voll TATP gleichkam, trat er etwas zur Seite, so dass sie nichts erkennen konnte. »Was haben Sie da?«, fragte sie.
    »Nur jemand von der Sache am Samstag«, antwortete er und versuchte so zu tun, als sollte man darüber nicht in der Gegenwart eines Kindes reden. »Es geht um eine Identifizierung. Ich hatte gehofft, dass Rachel helfen könnte. Ich arbeite für die Polizei. Das geht schon in Ordnung. Ich werde sie im Büro aufsuchen.« Er versuchte, zurückzuweichen und zugleich das Foto zu verstecken, ohne über Lew zu stolpern. Es war schon ein Bravourstück, dass er es schaffte, einfach nur aufrecht zu stehen.
    Einen schrecklichen Moment befürchtete er, Mrs. Weissman werde ihm das Foto entreißen. Aber die guten Manieren einer zivilisierten Gesellschaft siegten, und sie hielt sich zurück. »Ich gehe dann«, sagte er, drehte sich um und bewegte sich so schnell wie möglich auf das Taxi zu.
    »Ich habe Ihren Namen nicht mitbekommen«, rief ihm Mrs. Weissman nach.
    Am liebsten hätte er Nemesis gerufen, wie kindisch das auch sein mochte. Stattdessen begnügte er sich mit »Hill, Dr. Tony Hill«. Rachel würde sich zweifellos recht bald alles zusammenreimen.
    Als das Taxi anfuhr, rief er die Sondereinsatzzentrale an. Paula nahm ab. »Ich brauche deine Hilfe«, erklärte er.
    »Ich kann nicht«, entgegnete sie. »Die Chefin hat mir die Leviten gelesen, dass ich nicht für dich arbeiten soll.«
    »Paula, es ist sehr wichtig. Ich habe versucht, Carol anzurufen, aber sie hatte keine Zeit, mit mir zu sprechen. Hör zu, ich bin zu Rachel Diamonds Haus hinausgefahren, um zu sehen, ob sie vielleicht Aziz auf einem Foto erkennen würde. Da sie Presse und Fernsehen nicht verfolgt hat, dachte ich, es sei möglich, dass sie ihn gesehen hat, ohne es zu wissen. Aber sie war nicht da.«
    »Und?« Paula klang genervt.
    »Und Lew sah das Bild und sagte: ›Warum haben Sie ein Bild von Mummys Freund?‹«
    Paula schwieg eine Weile. Dann flüsterte sie: »Oh, mein Gott.«
    »Ja. Sie haben sich im Park getroffen, und Aziz kaufte dem Kind ein Eis, wahrscheinlich erinnert er sich deshalb so deutlich daran.«
    »Oh, mein Gott. Du musst mit der Chefin reden.«
    »Ich sage dir ja, was immer sie gerade tut, sie hat keine Zeit, meinen Anruf entgegenzunehmen.«
    »Sie ist mit Chris zu Pannal Castle gefahren«, berichtete Paula zerstreut. »Was soll ich machen?«
    »Rachel ist angeblich in ihrem Büro. Ruf vorher an, um dich zu vergewissern, dass sie da ist, dann lass das Haus überwachen, bis ich mit Carol sprechen kann. Ich bin mir sicher, dass ihre Mutter sie schon angerufen und ihr von dem fremden Mann erzählt hat, der mit einem Foto aufgekreuzt ist. Wir wollen nicht, dass sie sich aus dem Staub macht.«
    »Aber wir haben keine Beweise«, wandte Paula ein. »Es ist ausgeschlossen, dass du das Kind dazu bringen wirst, gegen sie auszusagen.«
    »Stimmt. Aber ich habe ein oder zwei Ideen. Bitte, Paula. Ich nehme den Beschuss auf mich. Sollte es einen geben. Aber wir dürfen sie nicht aus den Augen lassen.«
    »Sie kennt mich.«
    »Wie wär’s mit Kevin?«
    »Er ist nicht hier. Macht was Privates, sagte er. Bin mir nicht sicher, wann er zurück sein wird.«
    »Wir werden einfach …«
    »Ich nehme Sam mit«, unterbrach ihn Paula. »Bis später.«
    Tony lehnte sich auf die Kissen zurück. Und ein zweites Mal an diesem Vormittag entschwand alles.

    Kevin stand am Fenster und bewunderte die Aussicht auf die Dächer von Temple Fields. Er war nicht an diese Perspektive einer Gegend gewöhnt, die er so gut kannte. Alles sah aus dieser Höhe bemerkenswert harmlos aus, dachte er. Es war unmöglich zu erraten, auf welche Gesetzesübertretungen die streichholzgroßen Figuren da unten aus waren. Er hatte gewusst, dass es im zehnten Stock des Hart Tower Wohnungen gab, hatte aber zum ersten Mal die Gelegenheit, das Panorama zu erleben. Er wandte sich zurück an seinen Gastgeber. »Sie haben Glück, in einer Wohnung mit einer solchen Aussicht zu leben«, meinte er.
    Justin Adams schob seine Brille mit dem dunklen Gestell auf der Nase nach oben und strich sein langes dunkles Haar aus der Stirn. »Eigentlich gehört sie nicht mir«, gestand er, »sondern einem Fotografen, mit dem ich oft zusammenarbeite. Er überlässt sie mir, wenn ich hier oben etwas zu tun habe. Mein Wohnsitz ist in London.« Er grinste, ein Lächeln, das seine weißen Zähne von seinem Zweitagebart abhob. »Nicht so großartig wie das hier.« Er ging durch
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