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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Daniel Wiechmann
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haben oder was brauchen, können S’ jederzeit bei mir klingeln. Fürtena.«
    Mit federnden Schritten, die so gar nicht zu ihrer barocken Körperform passen wollten, huschte sie die Treppe hoch. Weg war sie. Und wir allein. Mit Georg Rieger, dem Mann, der selbst die Sonne in die Knie zwingen konnte. Er trug einen Lodenjanker und eine graue Hose, die in schmutzigen schwarzen Stiefeln steckte. An seinem Körper hingen drei, vier Taschen, und auf seiner Brust baumelte ein Fernglas. Mit seinen kleinen Knopfaugen und der spitzen Nase und ebensolchen Ohren sah er aus wie ein Mensch gewordener Pitbull. Statt Augenbrauen schien sich Georg Rieger zwei Schuhbürsten an die Stirn genagelt zu haben. Dagegen sah Theo Waigel glatt gezupft aus. Wenn man von Typen sprach, denen man nachts in einer dunklen Straßenecke lieber nicht begegnen wollte, dann meinte man Typen wie Georg Rieger. Mit dem wichtigen Unterschied, dass man einem wie Georg Rieger auch tagsüber nicht unbedingt begegnen wollte.
    »Hallo! Schön, Sie kennenzulernen«, log ich. »Kommen Sie vom Angeln?« Ich zeigte Richtung seiner Schulter, über der er ein längliches Futteral trug.
    »Naa, von der Jagd.«
    Na wunderbar, wir wohnten mit einem Jäger zusammen unter einem Dach. Einem Mann, der in seiner Wohnung ein Gewehr aufbewahrte. In meinen Gedanken sah ich Oskar damit bereits Amok laufen. Keine Ahnung, warum, aber seit ich Vater war, hatte ich sehr oft Gedanken an plötzlich hereinbrechendes Unglück. So unwahrscheinlich es auch sein mochte. Die dröhnende Stimme Georg Riegers holte mich in die Wirklichkeit zurück.
    »Sie sollten besser auf des hörn, was die Frau Pschierer gsogt hat. Wenn S’ mit Ihrem Zeug da des Treppenhaus kaputt machen, muss ich des fei der Hausverwaltung melden. Und sogn S’ Ihrem Bua gleich, dass er net auf den Treppen rumspringen soll. Den Krach will i net hörn.«
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schleppte Georg Rieger sich, seine Siebensachen und das eine oder andere Pfund Übergewicht die Stufen ins Hochparterre hinauf, fingerte seinen Schlüssel aus einer der Taschen und verschwand. Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. In der Pariser Straße schien wieder die Sonne. Das also war unser neues Zuhause. Wenn ich es richtig mitbekommen hatte, dann hatte ich gerade eine ungefähre Vorstellung davon bekommen, wie es um den Himmel der Bayern – die liebevolle Oma Pschierer – und die bayerische Hölle – Blockwart Georg Rieger – bestellt ist. Und wir wohnten mittendrin. Halleluja!
    Beim Abendessen berichtete ich Francesca ausführlich von meiner unheimlichen Begegnung und von Frau Pschierer.
    »Die Frau Pschierer ist drollig. So eine Mischung aus Else Kling … Erinnerst du dich? Die Putzfrau aus der ›Lindenstraße‹ … und den Jacob Sisters.«
    »Else Kling? Du meinst, sie ist neugierig? Das finde ich nicht schlimm. Ich bin auch neugierig. Aber wer sind die Jacob Sisters?«, wollte Francesca wissen.
    »Die Jacob Sisters haben so was Plüschiges. Du musst dir mal Volksmusik-Sendungen in der ARD oder im ZDF angucken. Da treten die immer auf. Da weißt du sofort Bescheid.«
    »Ahh, sind das Sängerinnen?«
    »Ja, und tanzen tun sie auch!«
    »So wie die ballerine, die Mädchen bei uns im Fernsehen?«
    Die ballerine sind eine Eigenart des italienischen Fernsehens. Francesca hatte mich darüber aufgeklärt. Egal, um was für eine Sendung es sich handelt, Sport, Politik, Rateshow – immer kann es dir passieren, dass für Sekunden auch einige halb nackte Tänzerinnen in der Sendung untergebracht sind. Die Qualität dieser Tanzeinlagen ist zwar meist ebenso dürftig wie die verbliebene Bekleidung der Damen, aber daran stört sich niemand. Im Gegenteil, es entspannt die Italiener anscheinend, wenn es neben den endlosen Diskussionen schnell auch mal ein bisschen nackte Haut zu gucken gibt. Ich hatte mich darüber gewundert, aber Francesca sagte, dass das ganz normal sei und dass viele kleine Mädchen in Italien davon träumen, später eine ballerina zu werden. Es gibt sogar eine Sendung, die das Treiben um die Tänzerinnen zum Kult erhoben hat. In der Sendung »Striscia La Notizia«, einer beliebten Nachrichten-Comedy, werden jedes Jahr zwei neue Tänzerinnen, die sogenannten veline, gekürt. Ein Riesenspektakel. Ich stellte mir vor, wie die Jacob Sisters im knappen Bikini auf den Moderatorentischen von »Striscia La Notizia« tanzten. Die Italiener wären mit Sicherheit erregt.
    »Nein, die Jacob Sisters dürfen nicht im
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