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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz
Autoren: Heike Eva Schmidt
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treffe ich mich mit ›Blauer Reiter‹ – in fünfzehn Minuten!«
    Nessie klappte der Mund auf vor Überraschung. »Lila, du ausgekochtes kleines Biest, du hast ein Date«, quietschte sie dann, und ich musste sie mit einem energischen Knuff zur Ordnung rufen, ehe meine Mutter wegen des Lärms noch aus Julius’ Zimmer kam, wo sie meinen kleinen Bruder mit Legobausteinen bei Laune hielt. Meine Verabredung mit »Blauer Reiter« hielt ich lieber geheim – ich hatte wahrhaftig keine Lust auf mütterliche Ratschläge.
    Nessie war sofort bereit, mich zum Biergarten zu begleiten, nur vorsichtshalber. Trotz meiner Freude, »Blauer Reiter« kennenzulernen, war ich erleichtert, sie dabeizuhaben.
    Vorher musste ich aber noch einen Anruf erledigen, das gebot die Fairness. Ich griff zum Handy und rief die Polizeidienststelle von Monika Held an. Ein Kollege teilte mir träge mit, die Kommissarin sei gerade beschäftigt.
    »Das weiß ich selber«, sagte ich ungeduldig. »Bitte richten Sie ihr Folgendes aus: Jonas Schumann verbirgt sich nicht hinter dem Pseudonym ›Blauer Reiter‹. Können Sie sich das merken?«
    Seine empörte Stimme dröhnte an mein Ohr: »Junges Fräulein, du bist hier bei der Polizei, ist das klar? Wenn du dir einen schlechten Scherz erlauben willst …«
    »Nein, das ist mein Ernst. Die Kommissarin weiß Bescheid, bitte richten sie ihr einfach nur aus, was ich Ihnen gesagt habe, okay? Ich muss jetzt los! Tschüss!«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, schaltete ich das Handy aus. Ich hatte meine Pflicht getan und Grover entlastet, jetzt konnte ich endlich zu meinem Date.
    »Ich ziehe jetzt mit Nessie los«, brüllte ich anstandshalber in Richtung der geschlossenen Kinderzimmertür, ehe ich sie am Arm packte und wir uns rasch vom Acker machten.
    »Darf ich mich irgendwo verstecken und gucken, wie der Typ aussieht, den du triffst? Ich bin sooo neugierig«, bettelte sie.
    Ich konnte schlecht Nein sagen, wenn sie schon mitkam, also nickte ich zögernd. »Von mir aus, aber wehe, du machst irgendeinen Blödsinn«, drohte ich.
    Sie lachte: »Ich werde mich hinter einem Baum unsichtbar machen. Kannst mich ja auf dem Handy anrufen, wenn sich rausstellen sollte, dass der Typ eine Nullnummer ist. Dann komme ich und rette dich«, bot sie großmütig an.
    Wir beide konnten nicht ahnen, dass es dazu nicht mehr kommen sollte.

    Monika wusste nicht, was sie von dem Jungen mit den blauen Haaren halten sollte. Er war nicht dumm – aber war er deswegen auch unschuldig? In diesem Moment klopfte es und der dicke Gasser steckte den Kopf ins Büro:
    »Gerade hat ein Mädchen angerufen. Ich glaube zwar, dass sie einen Witz gemacht hat, aber ich soll Ihnen ausrichten: Ein gewisser Jonas ist nicht ein gewisser Blauer Reiter. Was immer das heißen soll«, leierte der dicke Polizist lustlos herunter und verschwand.
    Bevor Monika noch reagieren konnte, sprang Grover auf und rief triumphierend: »Hab ich doch gesagt! Kann ich jetzt gehen?«
    Monika deutete auf den Stuhl und sagte streng: »Hiergeblieben! Wir sind noch nicht fertig!« Während Grover sich seufzend auf seinen Stuhl zurückfallen ließ, versuchte sie Elina anzurufen, doch nur die Mailbox ging ran. Sie hinterließ eine Nachricht und bat um sofortigen Rückruf.
    Sie verspürte ein Ziehen im Bauch, ein Anzeichen von Sorge. Da merkte sie, dass Jonas sie aufmerksam beobachtete.
    »Was, wenn dieser ›Blaue Reiter‹, wie der sich affigerweise nennt, nicht ganz sauber ist?«, fragte er. Monika wollte es nicht zugeben, aber genau dasselbe hatte sie auch gerade gedacht.

    Die Sonne, ockerfarben, als hätte man eine Handvoll Sand hineingeworfen, kämpfte sich durch staubgraue Wolken. Nervös und mit Lampenfieber im ganzen Körper stieg ich neben Nessie den Hügel hoch. Auf seiner Kuppe lagen die Kapelle und daneben der kleine Biergarten. Im fahlen Herbstsonnenlicht wirkten die Konturen verschwommen, als blicke man durch den Rauch einer Zigarette, der um eine Glühbirne schwebt.
    Nessie blieb auf mein Geheiß ein paar Schritte zurück. Ich wollte alleine sein, wenn ich »Blauer Reiter« das erste Mal gegenübertrat. Weil ich mich dem verabredeten Treffpunkt von der Rückseite näherte, sah ich erst als ich fast davorstand, dass nicht nur sämtliche Tische und Bänke im Biergarten zusammengeklappt waren und der Ausschank mit ein paar Brettern vernagelt war. In einem der staubigen Fenster des Cafés hing außerdem ein Pappschild, auf dem mit krakeliger Schrift »Geschlossen« stand.
    Der
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