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Schlangen im Paradies

Schlangen im Paradies

Titel: Schlangen im Paradies
Autoren: Mary Higgins Clark
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direkt beantworten konnte, anstatt irgendwelche Ausflüchte zu machen.
    «Ich bin Schauspielerin und war zu Dreharbeiten in Venedig.»
    «Wie aufregend. Auf den ersten Blick erinnerten Sie mich ein bißchen an Candy Bergen. Sie haben fast die gleiche Größe und ebenso schönes blondes Haar und blaugraue Augen. Müßte ich Ihren Namen kennen?»
    «Keineswegs.»
    Es gab einen leichten Ruck, als das Flugzeug auf der Landebahn aufsetzte und auszurollen begann. Um weitere Fragen zu verhindern, zog Elizabeth ihre Bordtasche unter dem Sitz hervor und überprüfte ostentativ den Inhalt. Wenn Leila hier wäre, dachte sie, hätte es kein solches Ratespiel gegeben. Leila LaSalle erkannte jeder sofort. Aber Leila wäre ja erster und nicht Touristen-Klasse geflogen.
    Wäre geflogen. Nach all den Monaten war es an der Zeit, ihren Tod als Tatsache zu akzeptieren.
    Auf einem Zeitungsstand gleich hinter der Zollschranke sta-pelte sich die Abendausgabe des Globe. Unmöglich, die Schlagzeile zu übersehen. PROZESSBEGINN 8. SEPTEMBER! Der Untertitel lautete: «Richter Michael lehnt jede weitere Verschiebung im Mordprozeß gegen Multimillionär Ted Winters katego-risch ab.» Den Rest der Titelseite füllte eine vergrößerte Porträtaufnahme von Ted. In seinen Augen lag Bitterkeit; um den Mund hatte er einen harten, unbeugsamen Zug. Das Foto war entstanden, nachdem er erfahren hatte, daß die Anklagejury ihn beschuldigte, seine Verlobte Leila LaSalle ermordet zu haben.

    Im Taxi las Elizabeth dann den Artikel – sämtliche Einzelheiten über Leilas Tod und das ganze Beweismaterial gegen Ted wurden wiederaufgewärmt. Über die nächsten drei Seiten verstreut Fotos von Leila: Leila bei einer Premiere mit ihrem ersten Ehemann; Leila auf Safari mit ihrem zweiten Ehemann; Leila mit Ted; Leila bei Entgegennahme des Oscar – alles Archivmaterial.
    Ein Foto erregte ihre Aufmerksamkeit. In Leilas Lächeln lag ein Anflug von Weichheit, eine Andeutung von Verletzlichkeit, was durchaus im Gegensatz stand zu dem arrogant hochgereckten Kinn, dem spöttischen Augenausdruck. Die halbe weibliche Jugend Amerikas hatte sich befleißigt, diesen Ausdruck nachzuahmen, Leila zu kopieren, wie sie das Haar zurückwarf, wie sie über die Schulter lächelte.
    «Da wären wir.»
    Verwirrt blickte Elizabeth auf. Das Taxi hielt vor dem Hamil-ton Arms, Ecke Fifty-seventh Street und Park Avenue. Die Zeitung rutschte ihr vom Schoß. Sie zwang sich zu einem gelassenen Tonfall. «Entschuldigen Sie bitte. Ich hab Ihnen die falsche Adresse angegeben. Ich möchte Ecke Eleventh und Fifth.»
    «Ich hab den Taxameter schon abgeschaltet.»
    «Dann lassen Sie ihn eben neu laufen.» Ihre Hände zitterten, als sie nach der Geldbörse suchte. Sie spürte, wie der Türsteher auf das Taxi zukam, und blickte nicht hoch. Sie wollte nicht erkannt werden. Gedankenlos hatte sie Leilas Adresse angegeben. Dies war das Gebäude, in dem Ted den Mord an Leila begangen hatte. Hier hatte er sie im Rausch und in rasender Wut von der Terrasse ihrer Wohnung hinuntergestoßen.
    Elizabeth begann unkontrollierbar zu zittern bei der Vorstellung, die sie nicht loswerden konnte. Leilas wunderbarer Körper im weißen Satinpyjama, die flatternde rote Haarmähne, während sie vierzig Stockwerke tief auf den betonierten Hof stürzt.
    Und die ständigen Fragen … War sie bei Bewußtsein? Wieviel hat sie realisiert?
    Wie grauenvoll müssen diese letzten Sekunden für sie gewesen sein!
    Wenn ich bei ihr geblieben wäre, dachte Elizabeth, wäre das niemals geschehen …

    2
    Nach zweimonatiger Abwesenheit wirkte die Wohnung eng und stickig. Doch sobald sie die Fenster öffnete, wehte eine Brise herein und brachte jene sonderbar anheimelnde Mischung von Gerüchen mit sich, die so typisch für New York war: die scharfen exotischen Düfte aus dem kleinen indischen Restaurant gleich um die Ecke, dazu ein zarter Hauch von Blumen von der gegenüberliegenden Terrasse, die beißenden Abgaswolken der Busse auf der Fifth Avenue, eine Spur von Meeresluft vom Hudson. Ein paar Minuten lang atmete Elizabeth tief durch und spürte, wie sie sich allmählich entkrampfte. Nun war sie also hier, und es tat gut, daheim zu sein. Die Filmarbeit in Italien war doch nichts als wieder ein Entfliehen gewesen, ein weiterer kurzfristiger Aufschub. Doch mit alldem ließ sich die Tatsache nicht aus dem Bewußtsein verdrängen, daß sie letztlich vor Gericht erscheinen mußte, als Zeugin der Anklage gegen Ted.
    Sie packte rasch aus und
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