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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck.
Autoren: Rosamunde Pilcher
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ken­nen; sie war ihm nie of­fi­zi­ell vor­ge­stellt wor­den. So et­was ge­fiel dei­ner Groß­mut­ter über­haupt nicht.“
    „Du lie­be Gü­te, Agnes, es war Krieg! Und das schon fünf Jah­re! Hat­te Groß­mut­ter das nicht be­merkt?“
    „Nun, viel­leicht, aber sie hat­te ih­re Vor­stel­lun­gen und Prin­zi­pi­en, an de­nen sie fest­hielt. Dar­an ist nichts aus­zu­set­zen.“
    „Schon gut. Mei­ne Mut­ter ver­lieb­te sich je­den­falls in die­sen Mann.“
    Agnes nick­te. „Hoff­nungs­los.“
    „Und sie hei­ra­te­ten.“
    „Oh­ne Mrs. Bru­ces Zu­stim­mung.“
    „Und hat sie Har­riet ver­zie­hen?“
    „O ja, sie war nicht nach­tra­gend. Und Har­riet kam ja so­wie­so zu­rück, um hier zu le­ben. Siehst du, dein Va­ter wur­de nach... nun, in je­nen Ta­gen sag­te man 'ir­gend­wo­hin in Eng­land' ge­schickt. Doch in Wirk­lich­keit wur­de er nach Frank­reich ab­kom­man­diert, zwei Ta­ge nach der In­va­si­on durch die Al­li­ier­ten. Bald dar­auf fiel er. Wir ha­ben ihn nie wie­der­ge­se­hen.“
    „Al­so wa­ren sie ver­hei­ra­tet...“
    „Drei Wo­chen lang.“ Agnes seufz­te. „Aber sie hat­ten die Flit­ter­wo­chen, und sie wa­ren ei­ne Zeit­lang zu­sam­men.“
    „Und mei­ne Mut­ter war schwan­ger“, sag­te Se­li­na. Agnes schwieg scho­ckiert. Sie war es im­mer noch nicht ge­wohnt, daß Se­li­na sol­che Wor­te ge­brauch­te, ge­schwei­ge denn, daß sie sich in die­sen Din­gen aus­kann­te.
    „Nun ja.“ Das Ge­sicht auf dem Bu­chum­schlag weck­te ih­re Auf­merk­sam­keit. Sie rück­te das Buch ge­ra­de und be­trach­te­te den selt­sa­men Glanz in den dunklen Au­gen. Braun wa­ren sie ge­we­sen. Ger­ry Daw­son. War es wirk­lich Ger­ry Daw­son? Er sah je­den­falls ge­nau­so aus. Oder zu­min­dest so, wie er heu­te aus­ge­se­hen hät­te, wenn er da­mals nicht ge­fal­len wä­re.
    Lang­sam kehr­ten die Er­in­ne­run­gen zu­rück, und nicht al­le wa­ren schlecht. Er hat­te Har­riet einen Glanz und ei­ne Vi­ta­li­tät ge­ge­ben, die Agnes bei ihr nie ver­mu­tet hät­te. Mit Agnes hat­te er ein biß­chen ge­flir­tet und ihr ei­ne Pfund­no­te zu­ge­steckt, wenn nie­mand hin­schau­te. Si­cher­lich nichts, wor­auf Agnes stolz sein muß­te, aber es hat­te trotz­dem ein biß­chen Freu­de ge­macht. Ein biß­chen Freu­de, als das Le­ben ganz be­son­ders freud­los war. Ein männ­li­cher Wind, der durch den rei­nen Frau­en­haus­halt weh­te. Nur Mrs. Bru­ce war ge­gen sei­nen Char­me im­mun ge­blie­ben.
    „Er ist ein Ha­be­nichts“, hat­te sie er­klärt. „Das sieht man so­fort. Wer oder was ist er denn schon? Nimm die Uni­form weg, und es bleibt ein gut­aus­se­hen­der Her­um­trei­ber üb­rig. Oh­ne Ver­ant­wor­tungs­be­wußt­sein. Oh­ne einen Ge­dan­ken an die Zu­kunft zu ver­schwen­den. Was für ein Le­ben kann er Har­riet bie­ten?“
    Na­tür­lich war sie in ge­wis­ser Hin­sicht ei­fer­süch­tig. Es ge­fiel ihr, das Le­ben an­de­rer Leu­te zu be­stim­men, ein stren­ges Au­ge dar­auf zu hal­ten, wie sie sich be­nah­men und wie sie ihr Geld aus­ga­ben. Sie hat­te vor­ge­habt, selbst einen Mann für Har­riet aus­zu­su­chen. Doch Ger­ry Daw­son be­saß bei all sei­nem Char­me ei­ne Per­sön­lich­keit und Wil­lens­stär­ke, die der ih­ren eben­bür­tig war, und er hat­te die Schlacht ge­won­nen.
    Spä­ter, nach sei­nem Tod, und nach­dem auch Har­riet, die nicht mehr hat­te le­ben wol­len, ge­stor­ben war, sag­te Mrs. Bru­ce zu Agnes: „Ich wer­de den Na­men des Ba­bys von Daw­son in Bru­ce um­än­dern las­sen. Ich ha­be be­reits mit Mr. Ar­thur­sto­ne dar­über ge­spro­chen. Es scheint mir das Nächst­lie­gen­de zu sein.“
    Agnes war an­de­rer Mei­nung. Doch sie hat­te es noch nie ge­wagt, mit Mrs. Bru­ce zu strei­ten. „Ja, Ma­dam“, hat­te sie er­wi­dert.
    „Und, Agnes, es wä­re mir lieb, wenn sie auf­wüch­se, oh­ne et­was von ih­rem Va­ter zu er­fah­ren. Es wür­de ihr nichts nüt­zen, und es könn­te sie sehr ver­un­si­chern. Ich ver­las­se mich auf dich, Agnes; du wirst mich si­cher nicht ent­täu­schen.“ Das Ba­by auf ih­rem Schoß, hat­te sie Agnes über Se­li­nas mit zar­tem Flaum be­deck­ten Kopf hin­weg an­ge­se­hen.
    Nach ei­ner klei­nen
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