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Schlachthof 5

Schlachthof 5

Titel: Schlachthof 5
Autoren: Kurt Vonnegut
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war bettlägerig in einem Altersheim am Rande von Ilium, das »Pine Knoll « hieß. »Alles das ist einfach verrückt. Nichts davon ist wahr! «
    »Es ist alles wahr. « Billys Ärger wurde nicht größer als der ihre. Er wurde nie über etwas wütend. In dieser Beziehung war er wundervoll.
    »Es gibt keinen Planeten, der Tralfamadore heißt. «
    »Von der Erde aus kann er nicht entdeckt werden, wenn es das ist, was du meinst « , erklärte Billy. »Auch die Erde kann nicht vom Tralfamadore aus gesichtet werden, was das betrifft. Beide sind sehr klein. Sie sind sehr weit voneinander entfernt. «
    »Wo hast du denn einen verrückten Namen wie Tralfamadore her? «
    »So nennen ihn die Geschöpfe, die dort leben. «
    »O Gott « , rief Barbara und wandte ihm den Rücken zu. Sie gab ihrer Verärgerung dadurch Ausdruck, daß sie in die Hände klatschte. »Darf ich dir eine einfache Frage stellen? «
    »Aber gewiß. «
    »Warum hast du nie etwas davon vor dem Flugzeugabsturz erwähnt? «
    »Ich hielt die Zeit nicht für reif dafür. «

    Und so fort. 
    Billy sagt, er habe das Zeitgefühl erstmals 1944 verloren, lange vor seiner Reise nach Tralfamadore. Die Tralfamadorianer hätten nichts damit zu tun, daß er sich von der Zeit loslöste. Sie konnten ihm nur Einblicke in das geben, was wirklich vor sich ging.

    Billy verlor das Zeitgefühl erstmalig, nachdem der zweite Weltkrieg begonnen hatte. Billy war im Krieg der Helfer eines Geistlichen. Der Helfer eines Geistlichen ist gewöhnlich eine komische Figur bei der amerikanischen Armee. Billy war keine Ausnahme.
    Er war machtlos, dem Feind zu schaden oder seinen Freunden zu helfen. Tatsächlich hatte er keine Freunde. Er war Diener eines Predigers, erwartete keine Beförderungen oder Auszeichnungen, trug keine Waffen und hatte einen demütigen Glauben an die Liebe Jesu, die die meisten Soldaten verderblich fanden.
    Während der Manöver in South Carolina spielte Billy Kirchenlieder, die er seit seiner Kindheit kannte — er spielte sie auf einer kleinen schwarzen Orgel, die wasserdicht war. Sie hatte neununddreißig Tasten und zwei Register — Vox humana und Vox celeste.
    Billy mußte auch einen tragbaren Altar betreuen, einen graugrünen Koffer mit ausziehbaren Beinen. Er war mit karmesinrotem Plüsch ausgeschlagen, und in diesen grellen Plüsch eingebettet waren ein mit Oxidschicht überzogenes Aluminiumkreuz und eine Bibel.
     
    Altar und Orgel waren von einer Staubsaugergesellschaft in Camden, New Jersey, hergestellt — und das stand auch darauf.

    Einmal, bei einer größeren Truppenübung, spielte Billy das Kirchenlied »Ein feste Burg ist unser Gott « mit Musik von Johann Sebastian Bach und Text von Martin Luther. Es war ein Sonntagmorgen. Billy und sein Geistlicher hatten eine Gemeinde von etwa fünfzig Soldaten an einem Berghang in Carolina versammelt. Ein Schiedsrichter erschien. Überall gab es Schiedsrichter, Männer, die sagten, wer die theoretische Schlacht gewann oder verlor, wer lebte und wer tot war.
    Der Schiedsrichter brachte komische Nachrichten.  Die Versammlung war theoretisch aus der Luft von einem theoretischen Feind gesichtet worden. Theoretisch waren sie jetzt alle tot. Die theoretischen Leichen lachten und verzehrten eine herzhafte Mittagsmahlzeit.
    Als er sich Jahre später an diese Episode erinnerte, war Billy überrascht, was das für ein tralfamadorianisches Abenteuer mit dem Tod gewesen war, tot zu sein und gleichzeitig zu essen.
    Gegen Ende der Manöver bekam Billy einen Sonderurlaub nach Hause, weil sein Vater, ein Friseur in Ilium, im Staat New York, von einem Freund bei der Rotwildjagd erschossen worden war. So geht das.
     
    Als Billy von seinem Urlaub zurück kam, erhielt er den Befehl, nach Übersee zu gehen. Er wurde im Hauptquartier eines in Luxemburg kämpfenden Infanterieregimentes benötigt. Der Helfer des Regimentsgeistlichen war während seiner Amtsausübung getötet worden. So geht das.
     
    Als Billy bei dem Regiment eintraf, wurde es gerade von den Deutschen in der berühmten Ardennenoffensive vernichtet. Billy lernte nicht einmal den Geistlichen kennen, dem er assistieren sollte, bekam nie auch nur einen Stahlhelm und Kampf Stiefel ausgehändigt. Das war im Dezember 1944 während des letzten großen deutschen Angriffs.
    Billy überlebte, aber er war ein verwirrter Wanderer weit hinter den neuen deutschen Linien. Drei andere Wanderer, nicht ganz so verwirrt wie er, erlaubten Billy, sich ihnen anzuschließen. Zwei von
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