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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind
Autoren: Luanne Rice
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uns retten. Eine ist schon hier, und ich glaube, es ist Mommy. Halte durch!«
    »Mommy!«
    Allies Hände rutschten weg. Sie fiel in die Wellen, drosch mit letzter Kraft auf die Oberfläche ein, in dem Versuch zu schwimmen, und zog sich schließlich wieder an der Bootswand hoch. Quinn hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch, ihr schwindelte. Hatte ihre Mutter wirklich zu ihr gesprochen? Sie musste ihren Worten Folge leisten.
    Jetzt
,
Quinn.
    Die Angelkiste zog sie in die Tiefe. Sie enthielt fünftausend Dollar, und sie hatte nur einen Wunsch, sie dem alten Mann, Jack Conway, zurückzugeben. Sie tat es für ihre Eltern, es war vielleicht das Letzte, was sie für sie tun konnte. Dieses Bedürfnis hatte sie aufs Meer hinausgetrieben, mitten in ein Unwetter, und sie hasste es, vor dem Ziel aufzugeben. Doch als sie in das Gesicht ihrer Schwester sah und die Stimme ihrer Mutter hörte, wusste sie, dass ihr keine andere Wahl blieb.
    »Mommy!«, schluchzte Allie.
    »Allie, hör zu!«, schrie Quinn, als eine Welle sie beide erfasste.
    »Ich dachte, du hättest gesagt, Mommy sei hier. Aber wo, Quinn? Wo ist sie?«
    »Sie hält uns über Wasser. Sie ist bei uns.«
    »Warum kann ich sie nicht sehen oder hören?«
    »Ich weiß es nicht – hör zu. Sie sagt, du musst Kimba loslassen.«
    »Ich kann nicht, Quinn!« kreischte Allie, einer Hysterie nahe.
    »Allie, ich lasse das Geld zuerst los, okay? Danach lässt du ihn los. Mommy hat es gesagt …«
    Gut gemacht, mein tapferes Mädchen. Weiter so …
    »Ich kann nicht«, jammerte Allie.
    »Er ertrinkt schon nicht«, sagte Quinn. »Er weiß, dass du ihn liebst. Er geht schnurstracks auf den Meeresgrund, bleibt bei Mommy und Daddy.«
    Ja, Liebes. Er bleibt bei mir. Das Kuscheltier meiner Kleinen …
    Allie schien die Worte gehört zu haben. Sie küsste Kimba, noch nicht im Stande, sich von ihm zu trennen. Quinn blickte die graue Kunststoffkiste an.
    Du auch, Aquinnah. Lass jetzt los.
    Die Kiste hatte ihren Eltern Unglück gebracht, und Quinn war sicher gewesen, sie würden nur dann Frieden finden, wenn sie wieder in die Hände ihres Besitzers gelangte. Aber sie hörte die Stimme ihrer Mutter und musste ihre Schwester retten, und so ließ sie die Angelkiste los.
    Sehr gut, Liebes. Das war’s. Und jetzt halte durch. Lass deine Schwester nicht aus den Augen …
    Als Allie sah, wie Quinn die Kiste losließ, küsste sie Kimba ein letztes Mal, dann ließ sie ihn aufschluchzend los. Weinend hielt sie sich mit beiden Händen an der Seitenwand des Bootes fest. Quinn rutschte näher an sie heran. Ihre Beine bewegten sich unter Wasser im gleichen Rhythmus, bemüht, sich über Wasser zu halten. Ihr Brustkorb schmerzte. Ihre Kehle brannte vom Salzwasser, das sie geschluckt hatte.
    »Mommy«, schluchzte Allie, den Kopf auf dem blauen Kiel des Bootes.
    Quinn legte ihren Kopf daneben, so dass er Allies berührte. Sie stellte sich vor, wie Kimba in die Tiefe driftete, und bei dem Gedanken musste sie weinen, beinahe so heftig wie Allie. Sie war unendlich müde. Das Meer zog sie hinab, und sie konnte kaum noch dagegen ankämpfen. »Mommy«, sagte Quinn. »Mommy.«
    Doch mit einem Mal war ihre Müdigkeit verflogen. Sie sah Allie an, die sich tapfer zu halten schien. Quinns Beine waren schwer wie nasser Sand; sie hörte auf, sie zu bewegen, und da wusste sie sicher, dass jemand sie über Wasser hielt. Dasselbe galt für Allie. Mit dem Kopf auf dem Kiel ruhend, fiel es ihnen plötzlich leichter, sich treiben zu lassen.
    Meine beiden Mädchen, ich liebe euch so sehr.
    »Ist das …«, begann Allie.
    »Mommy?«
    Aquinnah und Alexandra.
    »Wo bist du? Wir müssen dich sehen, zeig dich doch!«, verlangte Quinn.
    »Sie ist hier«. Allies Gesicht glühte. »Ich höre sie!«
    Ich bin immer bei euch
.
Ob ihr mich seht oder nicht, ob ihr meine Stimme hört oder nicht.
    »Du hast uns gerettet!«
    Eure Liebe hat euch gerettet. Denkt immer daran, Kinder. Die Liebe, die Schwestern füreinander empfinden, ist noch machtvoller als die Liebe der Meerjungfrauen.
    »Aber was ist mit den Müttern?«, fragte Quinn, die Hand ihrer Schwester haltend.
    Das ist die machtvollste Liebe von allen. Sie währt ewig. Denkt daran, Quinn und Allie. Denkt immer daran, wenn ihr euch einsam fühlt: Ich bin eure Mutter. Für immer und ewig.
    »Ich habe versucht, ein Unrecht wieder gutzumachen und dem alten Mann das Geld zurückzugeben«, sagte Quinn. »Ich wollte es für Daddy und dich tun.«
    Danke, das war eine gute Idee und sehr loyal
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