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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen
Autoren: Annie Proulx
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auch immer gesagt«, entgegnete Mrs. Moosup bitter. »Darum bin ich gar nicht so scharf auf das hier. Arbeiten macht keinen Spaß, wenn man sein Geld nicht kriegt.«
    Quoyle nickte. Später, als sie weg war, rief er die Polizei an.
    »Meine Frau. Ich will meine Kinder wiederhaben‹, sagte Quoyle zu einer routinierten Stimme ins Telefon. »Meine Töchter, Bunny und Sunshine Quoyle. Bunny ist sechs und Sunshine viereinhalb.« Sie gehörten ihm. Rötliche Haare, Sommersprossen wie gemähtes Gras auf einem nassen Hund. Sunshine, die kleine Schönheit mit ihrem Wust oranger Locken. Die unscheinbare Bunny. Aber klug. Hatte Quoyles farblose Augen und rötliche Brauen, die linke schief und von einer Narbe eingekerbt, seitdem sie einmal aus einem Einkaufswagen gefallen war. Das Haar kurz geschnitten, kraus. Grob-knochige Kinder.
    »Die sehen beide aus wie diese Möbel aus Obstkisten«, hatte Petal gewitzelt. Die Kindergartenleiterin sah in ihnen unbändige Störenfriede und warf erst Bunny hinaus, dann Sunshine. Wegen Zwicken, Schubsen, Kreischen und Nörgeln. Für Mrs. Moosup waren sie Rangen, die jammerten, daß sie Hunger hatten, und sie nicht in Ruhe ihre Sendungen sehen ließen.
    Doch vom ersten Augenblick an, da Petal getobt hatte, sie sei schwanger, ihre Handtasche auf den Boden geworfen hatte wie einen Dolch, Quoyle ihre Schuhe entgegengeschleudert und gesagt hatte, sie wolle abtreiben lassen, hatte Quoyle erst Bunny und dann Sunshine geliebt, sie mit der Angst geliebt, daß er sie, wenn sie tatsächlich zur Welt kämen, nur auf Zeit haben würde, daß ihm durch einen schrecklichen Zwischen-fall eines Tages ein Draht ins Gehirn gestoßen würde. Nie hätte er gedacht, daß es Petal sein würde. Obwohl er von ihr schon das Schlimmste abbekommen hatte.
     
    In einem schwarzweißkarierten Hosenanzug saß die Tante auf dem Sofa, hörte zu, wie Quoyle würgte und schluchzte. Machte in der noch nie benutzten Kanne Tee. Eine steif wirkende Frau mit weißsträhnigem rotblondem Haar. Hatte ein Profil wie eine Schießbudenfigur. Ein braungelbes Muttermal am Hals. Schwenkte den Tee in der Kanne, goß ihn ein, tröpfelte Milch dazu. Ihr Mantel über der Sofaarmlehne ähnelte einem Kellner, der eine Weinmarke vorzeigt.
    »Trink das. Tee ist was Gutes, der hält dich in Gang. Das stimmt wirklich.« Ihre Stimme hatte pfeifende Obertöne, als kämen sie aus dem einen Spalt breit geöffneten Fenster eines flitzenden Autos. Der Körper war in Abschnitte aufgeteilt wie ein Schnittmuster.
    »Ich hab’ eigentlich nichts von ihr gewußt«, sagte er, »außer daß sie von schrecklichen Mächten getrieben war. Sie mußte ihr Leben auf ihre Art führen. Das hat sie millionenmal gesagt. « Das schlampige Zimmer war voller spiegelnder Flächen, die ihn anklagten, die Teekanne, die Fotos, sein Ehering, Hochglanztitel von Zeitschriften, ein Löffel, der Fernsehbildschirm.
    »Trink ein bißchen Tee.«
    »Manche Leute haben sie wahrscheinlich für schlecht gehalten, aber ich glaube, sie hat nur nach Liebe gehungert. Ich glaube, sie hat einfach nicht genug davon kriegen können. Darum war sie so, wie sie war. Ganz tief drinnen hat sie keine gute Meinung von sich gehabt. Was sie gemacht hat – das hat ihr eine Zeitlang Sicherheit gegeben. Ich hab’ ihr nicht gereicht. «
    Glaubte er diesen Blödsinn? fragte die Tante sich. Sie vermutete, daß diese liebeshungrige Petal Quoyles Erfindung war. Warf einen Blick auf die arktischen Augen, die starr verführerische Pose Petals auf dem Foto, Quoyles alberne Rose in einem Wasserglas daneben und dachte bei sich: eine aufgedonnerte Schlampe.
     
    Quoyle hatte den Atem angehalten, den Hörer am Ohr; das Gefühl von Verlust durchflutete ihn wie das Meer einen geborstenen Schiffsrumpf. Sie sagten, der Geo sei von der Autobahn abgekommen und eine Böschung voll Wildblumen hinabgekullert, sei in Flammen aufgegangen. Aus der Brust des Immobilienmaklers sei Rauch gequollen, Petals Haar sei verbrannt gewesen. Ihr Genick gebrochen.
    Aus dem Auto seien Zeitungsausschnitte die Autobahn entlanggeflattert; Berichte über ein Ungetüm von Ei in Texas, einen Pilz, der Jascha Heifetz ähnelte, einer Rübe, so groß wie ein Kürbis, einem Kürbis, so klein wie ein Rettich.
    Als die Polizei sich durch versengte Astrologiezeitschriften und Kleidung wühlte, fand sie Petals Handtasche, in die mehr als neuntausend Dollar in bar gestopft waren, ihren Terminkalender mit einem Eintrag, daß sie am Morgen vor dem Unfall Bruce Cudd
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