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Schief gewickelt (German Edition)

Schief gewickelt (German Edition)

Titel: Schief gewickelt (German Edition)
Autoren: Matthias Sachau
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auf einmal wieder so wichtig?«
    »Keine Ahnung, einfach so.«

2 D IE B LAUEN
    Es gibt Dinge, die man am besten zu zweit machen sollte: Badminton spielen, Sofas schleppen, Hochgebirgsklettern, einem wütenden Kickboxer gegenübertreten und so weiter. Und es gibt viele Dinge, die man zwar auch allein machen kann, die aber zu zweit einfach mehr Spaß machen: Strandurlaub, Kino, Essen, Sex und all das. Und andererseits gibt es wiederum Dinge, die mehr Spaß machen, wenn man sie alleine macht: Klavier spielen, Agatha-Christie-Krimis lesen, vor sich hin brüten und so was. Und es gibt eine Sache, die sollte man wirklich niemals zu zweit machen, weil das deine Laune noch schneller in unendliche Tiefen zieht als ein ausgewachsener Orcawal einen altersschwachen Sportangler: zu zweit mit einem Kleinkind auf den Spielplatz gehen.
    Aber genau das tun wir jetzt. Mal wieder. Wir tun es jeden Samstag, wenn nicht der Himmel ein Einsehen hat und gnädig einen Wolkenbruch über dem Spielplatz am Helmholtzplatz heruntergehen lässt. Es ist ja schließlich endlich Wochenende. Und wir sind ja schließlich eine Familie, und wir haben uns ja ein paar Tage nicht gesehen.
    Daniel spielt mit Simone im Sand. Für alles andere ist er noch zu klein, und selbst beim Sandspielen braucht er noch Hilfe – findet zumindest er. Ich langweile mich, strecke mich auf der Bank aus und greife zur Zeitung. Daniel wartet genüsslich ab, bis ich den Sportteil herausgefischt und kunstvoll so zurechtgefaltet habe, dass ich den Artikel »Duisburg im Aufwind« lesen kann, und dann schlägt er zu.
    »Papa soll auch Sandkuchen backen!«
    Nun gut. Wir sind ja schließlich eine Familie. Weg mit dem Sportteil. Ich lasse mich mit knackenden Gelenken in den Sand sinken.
    »Nein! Du darfst nicht die Schaufel haben. Nur die Mama.«
    Und wer hat dir das Sandkuchenbacken beigebracht? Undankbares Biest.
    »Na, dann geh ich eben wieder.«
    »Nein, du sollst Kuchen backen.«
    »Kann ich doch nicht, wenn ich die Schaufel nicht haben darf.«
    »Du sollst aber Kuchen backen.«
    Unglaublich. Da habe ich in meiner Jugend kühn den Wehrdienst verweigert, weil ich mich nicht mit schikanösen Befehlen herumschlagen wollte, und jetzt das. Warum sitze ich nicht einfach zu Hause auf dem Balkon und genieße die Stille? Ich könnte dem Sportteil in aller Ruhe die ihm gebührenden zwanzig Minuten zukommen lassen und dann mit morgendlich frischem Kopf weiter am Konzept für meine Internetfirma feilen. Zu gegebener Zeit würde ich mich in die Küche trollen und die beiden, wenn sie sandbekrümelt und hungrig nach Hause kommen, mit einer Fischstäbchen-Festtafel empfangen. Aber wir sind ja schließlich eine Familie. Wir müssen uns ja auch mal zusammen zeigen.
    Daniel denkt sich seinen Teil dazu: Wenn schon beide Eltern da sind, dann sollen gefälligst auch beide rackern. Also, Sandkuchen backen. Aber zackig. Wäre noch ein Rest von Würde in mir, würde ich mir einen Gehörschutz aufsetzen und mich wieder auf die Bank fläzen. Aber da ist nichts mehr. Ich schaufle mit den Händen Sand in das Förmchen und backe Sandkuchen. Einen nach dem anderen. Daniel dreht mir den Rücken zu, aber ich weiß, dass er auch hinten Augen hat. Sobald ich die Produktion einstelle, wird er sich umdrehen und mich mit Vorwürfen überziehen.
    Respect yourself! Daadaadaadadadadada! Respect yourself! Kommt die Musik aus meinem Kleinhirn? Nein, die Leute von der Wohnzimmerbar gegenüber haben ihre Boxen auf den Bürgersteig gestellt und überziehen die Gegend freundlich mit handverlesenen Soul-Klassikern. Das bringt mich auf eine Idee.
    »Simone, soll ich uns mal zwei Pappkaffee holen?«
    Sie dreht sich um. Was? Wer spricht da mit mir? Ach, der Markus. Im Eifer des Gefechts schon ganz vergessen.
    »O ja, gute Idee.«
    Vorsichtig, ganz vorsichtig richte ich mich auf. Papa-Sandkasten-Hexenschuss ist ein Klassiker in den umliegenden Krankenhäusern.
    »Nein, der Papa soll noch mehr Kuchen backen!«
    »Nein, Daniel. Schau, der Papa hat schon so viele Kuchen gebacken …«
    Ich entferne mich langsam. Erst einmal alle Glieder gestreckt und das Gesicht in die Sonne gehalten. Ich bin glücklich wie ein geschundener Lehrling, der, absoluter Höhepunkt des Tages, dem Chef Zigaretten vom Laden nebenan holen darf. Die Außensitzplätze der Wohnzimmerbar sind inzwischen alle besetzt. Ich schaue in eine Wand aus Sonnenbrillen. Ja, ich weiß. Ihr wart gestern Nacht alle auf wundervollen Partys und müsst euch erholen. Kann ich
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