Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
Vom Netzwerk:
vor.
    Bridas Vater neigte den Kopf. »Klingt mir nach dem Schriftwechsel eines Kaufmanns. Vertragsabschluss und Treffen am 24. Mai.«
    Erik sagte kein Wort, sondern starrte gedankenversunken ins prasselnde Feuer des Kamins.
    »Was ist mit Euch?« Erst als Hinrich ihn am Arm berührte, zuckte er zusammen, als sei er aus einem Traum gerissen worden.
    »Ich … äh, es ist nichts.«
    »Nu versucht aber nicht, mir was vorzumachen! Habt Ihr Euch an irgendetwas erinnert?«
    »Ich bin mir nicht sicher.«
    »Lasst Euch die Würmer nicht einzeln aus der Nase ziehen! Was ist los, Junge?«
    »Ich habe wieder an diese Frau gedacht. Die Frau, von der ich geträumt habe, die im Wasser lag und dann verschwand. War unter den Toten wirklich keine Frau?«
    Sein Gesicht war blass geworden.
    »Nein, keine Frau«, sagte Brida. »Und das Meer hat keine weiteren Toten freigegeben.«
    »Was ist das für eine Frau?«, fragte der Vater weiter. »War sie Euer Weib?«
    Erik verbarg das Gesicht in den Händen. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal, ob es sie gibt oder ob sie nur ein Hirngespinst ist.«
    »Aber sie ist Euch wichtig.«
    »Ja.« Eriks Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Eben war es viel deutlicher als in meinem Traum. Aber ich konnte ihr Gesicht nicht sehen. Ich wusste nur, dass etwas Furchtbares geschehen wird, wenn ich sie loslasse.« Er stand vom Tisch auf. »Bitte entschuldigt mich. Ich bin müde.«
    »Armer Junge«, sagte Hinrich, nachdem Erik in seiner Kammer verschwunden war. »Er muss furchtbare Angst haben.«
    »Um diese Frau?«
    »Um alles, Deern.«
    »Wir werden schon herausfinden, wohin er gehört. Er hat keinen Grund, Angst zu haben!«
    »Ach, Deern«, seufzte ihr Vater. »Wenn das man so einfach wär.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich bin mir sicher, dass er Däne ist, auch wenn er das Deutsche spricht, als sei er aus Lübeck.«
    »Claas’ Schwiegermutter war auch Dänin.«
    »Deern, das war’n andere Zeiten. Wenn er nur’n kleines Licht wär, dann wär alles halb so wild, dann würd sich keiner um ihn scher’n. Aber wenn’s stimmt, dass seine Familie aus Vordingborg stammt, sieht’s anders aus. Da hat nur Besitz, wer um mindestens drei Ecken mit’m dänischen Königshaus verwandt ist.«
    »Ja und?«
    »Ach, Deern, nu stell dich nicht dumm. Glaubste wirklich, wir hätten noch irgendeinen Einfluss, wenn sich die große Politik einmischt?«
    »Aber er lebt in unserem Haus. Niemand hat ein Recht, uns zu zwingen, das Gastrecht zu missachten. Und außerdem wissen wir überhaupt nicht, ob er wirklich Däne ist. Er weiß es ja selbst nicht mal.«
    »Deern, er hat Dänisch gesprochen, als er zu sich kam. Er erzählt dir, dass er auf Dänisch träumt. Die Dokumente, die du gefunden hast, enthalten Bruchstücke dänischer Verträge. Er glaubt, sein Großvater besitze einen Hof in Vordingborg. Was verlangst du noch an weiteren Hinweisen, um die Wahrheit zu erkennen?«
    Brida senkte den Blick. »Das heißt also, dass man ihn als Geisel benutzen wird, sobald man sicher weiß, wer er ist?«
    Ihr Vater nickte. »Hein Hoyer sitzt seit Monaten in dänischer Gefangenschaft. Die Hamburger werden alles tun, ihren Bürgermeister zu befreien. Und die Lübecker werden ihnen dabei helfen. Wir unterstehen dem lübschen Recht. Wenn Claas herausfindet, dass Erik wirklich aus einer einflussreichen dänischen Familie stammt, ist er gezwungen, das weiterzugeben. Heiligenhafen wird ihn zwar nicht ausliefern, aber die Verhandlungen werden von hier aus geführt. So war es schon immer.«
    »Das ist widerwärtig!«
    »Das ist die Politik, Deern.«
    »Dann ist sie falsch! Er hat doch niemandem etwas getan!«
    »Beruhig dich doch!« Hinrich legte seiner Tochter die Hand auf die Schulter. »Ihm wird ja auch keiner was tun. Man wird herausfinden, wohin er gehört, und dann je nach seinem Rang Verhandlungen mit den Dänen aufnehmen.«
    »Und ihn bis dahin irgendwo einsperren?«, brauste Brida auf.
    Diesmal antwortete ihr Vater nicht.

4. Kapitel
    W asser, so kalt, dass es ihm den Leib zerreißt. Wellen peitschen über seinen Kopf hinweg. Eine Frau hängt schlaff in seinen Armen, ihr nasses blondes Haar fällt ihm in die Augen, raubt ihm jede Sicht. Salzwasser rinnt in seine Kehle. Er hustet, ringt nach Luft. Versucht, mit seiner Last zu schwimmen. Ich darf nicht loslassen! Niemals loslassen. Er kämpft, strampelt, will gegen den tödlichen Sog schwimmen, doch alles zieht ihn in die Tiefe. Wellen schlagen über ihm zusammen. Seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher