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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
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Lungen brennen. Immer weiter zieht es ihn nach unten. Niemals loslassen …
    Auf einmal ist er in Vordingborg, daheim auf Großvaters Gut. Irgendwo läutet eine Glocke. Er ist wieder ein kleiner Junge. Der Wind streicht ihm warm über das Gesicht und durch den reifen Weizen.
    »Kom nu, lillebror.« Am Feldrain steht ein junger Mann, der nach ihm ruft. Jannick, sein großer Bruder!
    Ein Klappern riss ihn aus seinem Traum. Er brauchte eine Weile, bis er begriff, wo er war. Draußen stürmte es, und der Wind pochte unbarmherzig gegen den hölzernen Fensterladen.
    Jannick, sein Bruder … Eriks Herz schlug schneller. Er wusste wieder, wie sein Bruder hieß! Jannick, Jannick, Jannick! Immer wieder ließ er den Namen auf der Zunge zergehen. Jannick hatte ihn auf Dänisch gerufen. Lillebror, kleiner Bruder. Lillebror. Unscharfe Bilder. Jannick, der ihm zeigt, wie man eine Weidenflöte schnitzt, der mit ihm am Fluss angelt. Ein Gefühl der Geborgenheit breitete sich in seiner Brust aus. Es gab wieder einen Namen, den er von früher her kannte, auch wenn es nicht sein eigener war. Er war nicht länger ganz allein.
    Aber was war mit dieser Frau? Warum ließ ihr Bild ihn nicht los? Ob sie sein Weib sei, hatte der Kapitän ihn gefragt. Seltsam, dass er keinerlei Gefühl dafür hatte, wie sie zu ihm stand. Immer wenn er an sie dachte, stand die Furcht, sie loszulassen, über allem. So sehr, dass alle anderen Gefühle abgestorben waren. Ganz anders als bei seinem Bruder. Jannick … vermutlich gab es viele Männer in Vordingborg, die diesen Namen trugen. Er atmete tief durch. Langsam setzte das Mosaik sich zusammen. Er stammte aus Vordingborg, auch wenn er immer noch nicht wusste, wer er war und wohin er unterwegs gewesen war.
    Sollte er weiterhin so offen sein, wie er es bislang gewesen war? Alle Einzelheiten preisgeben, die ihm zu seiner Person einfielen? Oder lieber schweigen und versuchen, Zeit zu gewinnen? Zeit wofür? Bis die Erinnerung von selbst zurückkam und er versuchen konnte, sich allein auf den Heimweg zu machen? Vermutlich war es dazu ohnehin zu spät. Seyfrieds Auftritt hatte ihm klargemacht, dass alle im Ort von ihm wussten und dass er für alle der Däne war. Die Gedanken rasten ihm durch den Kopf. Was hätte er als Schlimmstes zu befürchten? Monatelange Verhandlungen um Lösegeld, im äußersten Fall vielleicht ein Jahr. Vielleicht ein Jahr … Bei dem Gedanken daran zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen. Ach, nun stell dich nicht so an! Wer weiß, ob’s überhaupt dazu kommt, mahnte er sich. Und wenn – er würde es schon überstehen. Vermutlich wäre es das Beste, offen zu bleiben, sich gar nicht erst in irgendwelche Lügen zu verstricken. Je schneller er erfuhr, wer er war, umso schneller könnte seine Familie ihn auslösen. Und dass sie es tun würde, daran bestand kein Zweifel. Seit er den Namen seines Bruders wiedergefunden hatte, war auch das Gefühl des bedingungslosen Vertrauens zurückgekommen.
    »Schon so früh auf den Beinen?« Marieke zog die Augenbrauen hoch, als er die Küche betrat. Die Sonne war gerade erst aufgegangen. »Ihr gehört wohl zu den Mannsbildern, die nicht wissen, wann’s besser ist, sich zu schonen.«
    »Ich bin eigentlich nicht zum Arbeiten in die Küche gekommen.« Er grinste.
    »Na, das wär ja auch noch schöner. Genügt schon, wenn Ihr hier im Weg rumsteht. Na los, nun setzt Euch schon. Was wollt Ihr essen?«
    »Nichts, danke, Marieke«, sagte er, während er am Tisch Platz nahm.
    »Nix gibt’s nicht. Und für Euch schon gar nicht.« Sie griff nach einem halben Brotlaib und einem großen Stück Käse und legte beides vor ihm auf den Tisch. »So, und wehe, Ihr lasst was übrig.«
    »Das klingt ja wie ’ne Drohung.«
    »Das ist auch eine. Ich guck mir doch nicht an, wie so ’n prächtiger Mann wie Ihr verhungert.«
    Erik lachte. »So nahe bin ich dem Verhungern nun auch wieder nicht.«
    Um Marieke gefällig zu sein, schnitt er eine Scheibe von dem Brot ab.
    »Sag mal, dieser Seyfried, was ist das eigentlich für einer?«
    »Habt Ihr doch gestern gesehen. Ein Rindviech.« Marieke stellte ihm noch einen Becher auf den Tisch.
    »Womit bestreitet er seinen Lebensunterhalt?«
    »Er hat einen Hof geerbt. Den bewirtschaftet er mehr schlecht als recht, weil er das meiste vertrinkt. Und hinter Fräulein Brida ist er nur wegen ihrer Mitgift her.«
    »Hat er Einfluss in der Stadt?«
    »Der Seyfried?« Marieke lachte auf. »Ihr meint außerhalb der Wirtsstuben?«
    »Also
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