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Schicksalspfad Roman

Schicksalspfad Roman

Titel: Schicksalspfad Roman
Autoren: Catherine Bourne
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rief Joanne und schlug die Hand vor den Mund. »Sie war deine Tochter!«
    Hoag nickte. »Meine Frau ist nie darüber hinweggekommen, was verständlich ist«, sagte er ohne eine Regung. »Und wir bekamen Schwierigkeiten. Sie hat mich verlassen und ist in eine Hippiekommune in Oregon gezogen. Hat sich da hineingestürzt. So habe ich meine
Familie verloren.« Er kratzte sich den Nasenflügel. »Suzanne wäre jetzt etwa in Grace’ Alter. Siebenunddreißig.«
    »Das ist furchtbar, Hoag.« Joanne wollte ihn an der Schulter berühren, fürchtete aber, das wäre zu mitleidig.
    »Als ich noch klein war«, fuhr Hoag fort, »und wegen irgendwas aufgebracht war, habe ich immer meine Angel geschnappt und bin an den See gegangen. So ganz allein konnte ich den Rest der Welt vergessen und mich wieder beruhigen. Als meine Frau mich verließ, habe ich einen Job auf einem Boot in Nova Scotia angenommen und bin zweiundzwanzig Jahre lang zur See gefahren.«
    »Ich kann mir kaum vorstellen, was du durchgemacht hast«, sagte Joanne. »Erst der Krieg, dann der Verlust deiner Familie - es ist erstaunlich, wie du das alles überstanden hast.«
    »Ich hatte jede Menge Chancen, einen anderen Weg zu nehmen«, sagte Hoag, »aber ich wusste auch, wie gut Geduld für einen ist - von damals, am See. Alles erscheint einem furchtbar, man hat den ganzen Tag nichts gegessen, schwitzt und ist müde, und vielleicht will man aufgeben, aber man bleibt trotzdem da. Und dann zuckt es plötzlich am Ende der Leine, so dass man es am ganzen Arm spürt. Plötzlich fühlt man sich wieder ganz lebendig.« Er sah Joanne mit einem vermutlich bedeutsamen Blick an, aber das war hinter der Sonnenbrille nur schwer auszumachen.
    Sie schwiegen, während das Boot langsam durch das Wasser tuckerte. Vor ihnen ragte der weiße Leuchtturm von Turtle Island in voller Größe auf seinem Felsvorsprung
auf. An Nebeltagen hörte man alle fünfzehn Sekunden sein Signal.
    »Ist er nicht schön?«, fragte Hoag, dessen Stimmung sich wieder hob. »Er wurde 1793 erbaut, hundert Jahre, nachdem die ersten Siedler hier landeten. Kennst du Eddie aus der Bar? Sein Vater war bis vor dreißig Jahren der Leuchtturmwärter. Jetzt ist alles automatisiert. Ich nehme dich irgendwann mal mit in die Wächterstube.«
    »Das fände ich toll«, sagte Joanne. »Ich war noch nie auf einem Leuchtturm.«
    »Wir können froh sein, dass er noch steht. 1922 strandete ein Schiff namens Clementine auf den Felsen hier und hätte ihn fast gerammt. Zwei Männer sind dabei ertrunken und ein halbes Dutzend Pferde.Vermutlich hatte dein heiliger Antonius an dem Tag gerade frei.«
    »He, keine Kritik an Tony. Er kann nicht überall gleichzeitig sein.«
    »Ich beschwere mich ja gar nicht«, sagte Hoag. »Wenn wir nicht ab und zu einen Schiffbruch hätten, wäre es noch schwerer, die Blaumarle zu fangen.«
    »Warum?«
    »Die hängen gerne irgendwo in Verstecken herum. In Schiffswracks, um Riffe und Piere. Am leichtesten findet man sie in einem Wrack, von dem keiner weiß. Ich habe schon ein paar gefunden.«
    Der Leuchtturm lag nun hinter ihnen, während die Ostspitze der Insel mit der klapprigen alten Pier, einem schmalen Streifen Kiesstrand und kargem Dünengras in Sicht kam.
    Hoag schaltete den Motor ab.
    Joanne spürte Angst aufflackern. »Ist was?«, fragte sie,
als das Boot langsamer fuhr. »Wir sinken doch nicht etwa, oder?«
    Hoag lächelte. »Nein, wir nehmen uns bloß Zeit. Dann griff er in die Plastiktüte auf dem Boden zwischen ihnen und zog eine Flasche Wein mit zwei Gläsern heraus.
    Joanne lachte. »Meinst du das ernst?«
    »Ich weiß, es ist noch früh, aber wir haben hier draußen viel Zeit.«
    »Das meinte ich nicht - ich hatte nur nicht gedacht, dass du ein Weintrinker bist.«
    »Nur bei besonderen Gelegenheiten.«
    »Oh …«, erwiderte Joanne, wusste aber nicht genau, warum dies eine besondere Gelegenheit war.
    »Ich habe auch Brot und Käse mitgebracht«, meinte Hoag und griff wieder in die Tüte. »Und Räucherlachs und Äpfel. Bedien dich.«
    »Danke.« Joanne war ein wenig schwindlig. Das Boot tanzte auf den Wellen. Langsam wurde die Sonne wärmer.
    Hoag reichte Joanne ein Glas und entkorkte den Wein, einen Chardonnay von der Finger-Lakes-Gegend. Erst goss er ihr ein Glas ein, dann sich selbst, ehe er sein Glas erhob.
    »Auf dich«, sagte er.
    Joanne sah ihr Spiegelbild in seinen Sonnenbrillengläsern. Sie stieß mit ihm an und trank einen kleinen Schluck, weil sie Weißwein eigentlich nicht
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