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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten
Autoren: Craig Shaw Gardner
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und setzte die Truhe aus Elfenbein, die mit ausgeklügelten Verzierungen und vielen wertvollen Edelsteinen versehen war, nicht weit von dem kleinen Teich und dem Versteck der beiden Könige auf dem Boden ab. Und dann rief der Dschinn mit seiner lauten, dröhnenden Stimme: »Komm heraus, komm heraus, o Sulima, und tanze für mich!«
    Daraufhin öffnete sich die Truhe, und eine wunderschöne Frau mit vollendeten Formen stieg heraus. Sie war ganz in edle Seide gehüllt, und die Farbe ihres Gewandes schien sich mit jeder Bewegung, die sie im Sonnenlicht vollführte, zu ändern, so daß sie einmal in das herrliche Blau eines wolkenlosen Himmels gekleidet zu sein schien, ein andermal in das feurige Rot des Blutes und noch ein andermal in das wilde Gelborange der Wiesenblumen.
    »Ich gehorche Euren Befehlen!« sagte die Frau zu dem großen Dschinn und begann zu tanzen. Ihre Arme und Beine begannen sich zu einem raffinierten Rhythmus zu bewegen, und diese Bewegungen waren so graziös und vollendet, daß weder der Dschinn noch die beiden Könige den Blick von ihr lassen konnten.
    »Einfach wunderbar!« lobte der Dschinn die holde Jungfer, nachdem er ausgiebig gegähnt hatte. »Ach, meine geliebte Zzzzzzzz.« Und sein letztes Wort war bloß noch ein Schnarchen, denn der Dschinn war eingeschlafen.
    »Jetzt, wo er aus dem Weg ist«, rief die Frau mit lauter, lüsterner Stimme, »wer von euch beiden da oben im Baum will der Erste sein?«
    »Wer?« fragte Shahzaman verwundert.
    »In welchem Baum?« fügte Shahryar hinzu.
    »Nun aber, meine Herren«, erwiderte Sulima. »Von dem Moment an, als ich der See entstieg, wußte ich, daß ihr da oben sitzt. Nun, wer von euch beiden Kriegern möchte zuerst seine stattliche Lanze an mir ausprobieren?« Und sie lachte und schnippte mit den Fingern, worauf auf jeder ihrer Handflächen eine kleine Flamme zu tanzen begann.
    Die beiden Brüder starrten sich gegenseitig an. Shahryar vollführte eine großzügige Geste mit seiner Hand. »Du warst bis vor kurzem mein Gast, und Gäste sollten immer den Vortritt haben.«
    Doch daraufhin entgegnete Shahzaman: »O nein, mein lieber Bruder. Ich bestehe darauf, daß du als der Ältere mir in allen Dingen als Vorbild dienst.«
    Auf diese Weise stritten sie sich eine Weile wild gestikulierend und mit vieldeutigem Heben der Brauen, bis Sulima dazwischenfuhr.
    »Genug! Einer von euch beiden muß jetzt schnell zu mir herunterstoßen, oder ich werde den Dschinn aufwecken, und ihr beide werdet einen Tod erleiden, der viel zu grausam ist, als daß man ihn beschreiben könnte!«
    Nun, den beiden Königen blieb nichts anderes übrig, als diesem Befehl zu gehorchen. Und als sie beide ihre Pflichten erfüllt hatten und ganz erschöpft waren, stieß Sulima ein letztes »Jippie!« aus und meinte: »Ihr seid beide in der Tat erfahrene Reiter!« Und dann erzählte sie den Königen, daß sie früher eine ganz normale sterbliche Frau gewesen war, die in ihrer Hochzeitsnacht von dem Dschinn entführt und vernascht worden war. Seit damals hätte sie viele der Eigenschaften eines Dschinns angenommen und sie zu ihrem Vorteil genutzt.
    »Verzeiht mir«, sagte sie schließlich, griff unter ihr seidenes Gewand und zog eine Halskette darunter hervor.
    »Was ist das?« krächzte Shahzaman, denn seine Stimme war noch ganz rauh von der zurückliegenden Anstrengung.
    »Das ist eine Kette aus Siegelringen, fünfhundertundsiebzig Ringe lang«, antwortete sie, »denn jeder Mann, der mich genossen hat, muß mir seinen Siegelring überlassen. Kommt, gebt mir rasch die euren, oder ich werde noch einmal tanzen und euch in tiefen Schlaf einlullen, in dem ihr noch liegen werdet, wenn der Dschinn längst wieder erwacht ist. Und dann wird seine Rache fürchterlich sein!«
    Gegen solch überzeugende Argumente waren sogar die Könige machtlos. Und so übergaben sie ihr jene Ringe, mit denen sie für gewöhnlich bei ihren Amtsgeschäften ihr Siegel unter wichtige Pergamente setzten. Und gar mächtig war Sulimas Lachen, als die beiden Brüder mit der letzten Kraft, die noch in ihren regelrecht ausgesaugten Körpern steckte, davonkrochen, bis sie schließlich eine geschützte Stelle auf der großen Wiese gefunden hatten und in einen erschöpften Schlaf gefallen waren.
    Und als sie wieder erwachten, da sagte Shahzaman zu seinem Bruder: »Wenn mein Schicksal nach einem Vogel mit Durchfall duftet und deines nach dem Kot einer ganzen Ochsenherde, so stinkt das des Dschinns trotz all seiner Macht nach dem
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