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Schattenwandler: Kane (German Edition)

Schattenwandler: Kane (German Edition)

Titel: Schattenwandler: Kane (German Edition)
Autoren: Jacquelyn Frank
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ablenken von ihren Gefühlen. Noch einmal würde er es sicher nicht schaffen, sich ihr und dem Feuer in ihren grünen Augen zu entziehen.
    „Ich bin kein Mensch“, wiederholte er nochmals, denn so ganz schien sie es noch nicht begriffen zu haben. „Ich verfüge über besondere Kräfte. Momentan sorgt mein Mentor, mein Siddah, dafür, dass ich mich nicht teleportieren kann. Das ist meine mächtigste Fähigkeit, aber der Geist vermag noch viel mehr. Nach den Maßstäben meines Volkes bin ich zwar noch sehr jung, aber ich habe trotzdem schon einiges gelernt.“
    Plötzlich war es so, als würde er sich von den Fesseln lösen und Corinne die Hand hinstrecken. Sie nahm sie, sie verschränkten die Finger ineinander, und er zog sie mit sich. Sie wirbelte hinein in einen Strudel. Einen Moment lang bekam sie keine Luft mehr, und sie hatte das Gefühl, als ob ihr Körper sich auflösen würde, sie verlor die Orientierung, und doch war ihr Geist mit einem Mal so scharf wie noch nie zuvor. Dann hatte sie plötzlich wieder festen Boden unter den Füßen. Sie hielt immer noch seine Hand umklammert, und sie spürte kühle Herbstluft auf der Haut. Sie standen im Freien auf einem dichten Rasen. Das Gras kitzelte an den Fußsohlen, und der Sonnenuntergang färbte den ganzen Horizont rot. Sie war jetzt warm umhüllt von einem samtigen feuerroten Stoff. Das Kleid hatte eine hohe Taille, und der Stoff fiel in üppigen, weichen Falten herab. Normalerweise trug Corinne eher Jeans und T-Shirt, und das Gefühl, wie das weiche Gewebe sich in der Brise bauschte, war seltsam ungewohnt. Aber eigentlich … wenn sie ehrlich war, hatte sie schon immer eine Schwäche für feminine, klassische Mode und für weiche weibliche Kleider aus fließendem Stoff gehabt. Sicher, im Alltag in New York City wäre so etwas nicht sehr praktisch gewesen, denn sie war Sozialarbeiterin und betreute Jugendliche in der Bronx. Was hätten die wohl dazu gesagt, wenn sie in einer solchen Robe aufmarschiert wäre?
    Und dann auch noch in Rot. Nie im Leben hätte sie etwas Rotes angezogen. Schließlich behaupteten die Modeexperten doch immer, dass Rothaarigen Rot nicht stand. Rot machte sie blass und ließ sie bleich und kränklich aussehen. Nur Orange war noch schlimmer. Doch jetzt trug sie ein knallrotes Gewand, und auch ohne dass sie sich im Spiegel sah, hatte sie das Gefühl, dass sie darin umwerfend aussah. Das Kleid war schön und sie war schön. Nie im Leben hätte sie so viel Mut bei ihrer Kleiderwahl gezeigt, wie er es getan hatte – aber er hatte gut ausgesucht. Die engen Ärmel des Kleides lagen warm um ihre Handgelenke und ließen sie schmal und zerbrechlich wirken, doch Corinne fühlte sich so stark wie schon seit Tagen nicht mehr, so gesund und voller Energie und Lebenskraft.
    Sie drehte sich zu Kane um. Er trug noch immer die ausgewaschene Jeans von eben, doch sein Oberkörper war in ein meergrünes Hemd aus dem gleichen warmen Stoff gehüllt, aus dem auch ihr Kleid gemacht war. Die Farbe stand ihm sehr gut. Aber ihm würde so ziemlich alles gut stehen. Sie musterte ihn schnell, und ihr fiel auf, dass er größer war, als sie gedacht hatte, und einmal mehr erkannte sie, wie gut er aussah. Ein atemberaubend schöner, gut angezogener Mann. Er war fast schon zu schön.
    Eine erneute Windbö fuhr über sie hinweg. Wie lange war sie schon nicht mehr an der frischen Luft gewesen? Seit Tagen. Viel zu lange jedenfalls. Mit geschlossenen Augen drehte sie das Gesicht in den Wind und atmete die klare Luft ein so tief sie konnte. Sie duftete frisch und brachte die Kühle des Herbstes mit. Corinnes Nasenspitze wurde ganz kalt.
    „Du machst das, nicht wahr?“, fragte sie, doch sie kannte die Antwort bereits. „In Wirklichkeit liegen wir noch nebeneinander in diesem Zimmer, aber du zauberst das hier her mit deinem Geist, oder?“ Sie brauchte sein Nicken nicht zu sehen, um zu wissen, dass es stimmte. Sie hob die freie Hand vors Gesicht und schirmte die Augen gegen das Glühen der untergehenden Sonne ab.
    „Wenn das alles real wäre, dann könnte ich überhaupt nicht hier sein, nicht wenn die Sonne noch so hell scheint. Ich würde noch schlafen oder wäre zumindest geschwächt. Die Nacht ist mein Tag.“ Kane kniff die Augen im vergehenden Tageslicht zusammen, denn sie waren, wie bei allen Dämonen, eigentlich für die Dunkelheit gemacht, und er konnte im Hellen kaum etwas sehen. Bei ihr war das anders. Zumindest bis jetzt noch. Kane wusste, dass die Menschen den
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