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Schattenwandler 05. Noah

Schattenwandler 05. Noah

Titel: Schattenwandler 05. Noah
Autoren: Jacquelyn Frank
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die Stirn und rieb sich das Handgelenk, an dem er sie ein bisschen zu fest gepackt hatte. Es machte ihr nichts aus, wirklich. Im Grunde genommen war sie kein menschliches Wesen mehr. Nun, zum größten Teil jedenfalls. Sie war ein Mischwesen aus Genen alter Druiden und modernen Menschen, und weil sie mit ihren anderen, jüngst erworbenen Fähigkeiten eine bemerkenswerte Stärke erlangt hatte, nahm sie auch durch den rauen Umgang des Königs keinen Schaden. Doch wenn sie ausschließlich menschlich gewesen wäre, hätte dieser Griff ihr das Handgelenk gebrochen, und es sah Noah gar nicht ähnlich, dass er so rücksichtslos war.
    »Ich muss gehen«, sagte Noah, der sich rasch erhob und ihr einen Kuss auf die Wange drückte.
    Mit einer Drehung verwandelte sich der Feuerdämon in eine Rauchsäule. Die Säule kippte um und breitete sich über dem Boden aus, auf der Suche nach irgendwelchen Ritzen und Spalten, die aus dem Anwesen hinausführten.
    Er war kaum eine Sekunde weg, als eine gewaltige Staubwolke in den Raum gefegt kam und um Isabellas winzige Gestalt herumlief. Im nächsten Augenblick verwandelte sie sich in die Gestalt ihres Gatten, der bereits seine Arme fest um sie gelegt hatte und sofort ihr Handgelenk in Augenschein nahm.
    »Was zum Henker ist in ihn gefahren?«, bellte Jacob und verbarg sein Missfallen über den groben, rücksichtslosen Umgang des Königs mit seiner Angetrauten nicht.
    Seit Isabella vor drei Jahren seine Gemahlin geworden war, war Jacob nicht sehr tolerant gegenüber anderen Männern, die sie anrührten, auch wenn sie ihr so gut wie keinen Schaden zufügten. Sein besitzergreifendes Temperament war ein wesentlicher Teil ihrer besonderen Prägung.
    Bevor Bella gekommen war und sich tief auf Jacobs facettenreiche Seele eingelassen hatte, war diese Prägung nur noch in Dämonenmärchen vorgekommen, wie dem, das Noah Leah vorgelesen hatte. Das Wissen darum, was für einen Schatz sie teilten, führte dazu, dass der Vollstrecker sich manchmal beinahe irrational überbehütend verhielt. Doch er hatte sich schon gebessert. Zu sehen, wie verzweifelt und enttäuscht seine Frau immer war, wenn es wieder so einen Zwischenfall gegeben hatte, hatte dazu beigetragen.
    »Ich weiß nicht«, murmelte Isabella auf die Frage, die eigentlich rhetorisch gemeint war. »Jacob«, sagte sie plötzlich und klammerte sich an den Stoff seines burgunderroten Hemds, das sich fest um seine schlanke Taille legte. »Ich habe Angst.« Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust, bis sie das warme Pulsieren an ihrer Wange spürte. »Ich habe Angst, dass unsere Freundschaft zu Noah bald auf unschöne Art auf die Probe gestellt wird.«
    Jacob machte ein noch düstereres Gesicht, und sein Ausdruck verriet einen dunklen Ansturm heftiger Emotionen. Auch über sein Herz jagten dunkle Wolken hinweg.
    Er tat nicht so, als würde er sie nicht verstehen. Er war der Vollstrecker. Das war er seit über vierhundert Jahren, vom König selbst ernannt, damit die Dämonengesetze auch strikt eingehalten wurden. Jedes Mal, wenn die Heiligen Monde Samhain oder Beltane bevorstanden, konnte es geschehen, dass ein Dämon, der keinen seelenverwandten Partner hatte, dazu getrieben wurde, sich einem schwachen Menschen oder einem anderen verletzlichen Geschöpf zu nähern. So ein unschuldiges, nichtsahnendes Wesen würde es wahrscheinlich nicht überleben, wenn ein Dämon versuchen sollte, sein dunkles, nagendes Verlangen zu befriedigen, das so tief war wie das Bedürfnis nach Essen, nach Wasser und nach Luft.
    Und die Intensität dieses Einflusses nahm mit jedem Jahr zu. Bei jedem Mond, der herannahte, gab es welche, egal wie stark und selbstdiszipliniert sie sonst auch waren, die in die rücksichtslosere und animalischere Natur zurückfielen, mit der die Dämonen vor langer Zeit geboren worden waren. Wenn diese Art von Chaos heraufzog, war es die Pflicht des Vollstreckers, darauf zu achten, dass es sich nicht gegen einen Unschuldigen richtete, und falls doch, den Täter hart zu bestrafen.
    Bella und Jacob waren die einzigen Vollstrecker. Das bedeutete, dass unangemessenes Verhalten stets zu einer Konfrontation mit einem von ihnen oder gar mit beiden führte, dass die zeitweise unzurechnungsfähigen Dämonen stets verloren, wenn die klugen, gut organisierten Vollstrecker sie verfolgten und schließlich fassten.
    Dann folgte die schreckliche Bestrafung. Diese Pflicht oblag allein Jacob. Isabella hatte nicht das robuste, gepanzerte Herz, das man brauchte, um
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