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Schattenwandler 05. Noah

Schattenwandler 05. Noah

Titel: Schattenwandler 05. Noah
Autoren: Jacquelyn Frank
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mächtigen Anlagen eines zukünftigen Königs aller Dämonen hervorbringen würde.
    »Noah, was um alles in der Welt liest du ihr da vor?«, fragte Isabella flüsternd.
    Sie hatte gerade das Zimmer ihrer Tochter betreten und sah das zweijährige Mädchen faul im Schoß des Dämonenkönigs liegen. Leahs Rücken war in Noahs Armbeuge und auf seinen Unterarm gebettet, die Arme mit den schlaff herunterhängenden Handgelenken weit von sich gestreckt, während sie leise schnarchte und auf seine seidenbedeckte Brust sabberte.
    Der König blickte auf zu seiner Vollstreckerin, sein weibliches Gegenstück, und lächelte auf eine Weise, die sowohl verschämt als auch betörend war. Er zwinkerte ihr mit einem graugrünen Auge zu, und der Schalk gab seinen vornehmen Zügen eine gewisse Weichheit.
    »Es ist doch nur ein Märchen«, erklärte er mit leiser Stimme, schloss das kleine Buch und legte es auf den Boden.
    Er berührte den schlaffen Körper des Kindes in seinem Schoß sanft mit den Fingerspitzen. Bei der vorsichtigen Berührung verwandelte sich Isabellas Tochter langsam von einem Wesen aus Fleisch und Blut in eine leichte Rauchwolke. Die junge Mutter hielt den Atem an, als Noah die kleine Wolke geübt in ihr Gitterbett trieb, wo sie zu ihrer natürlichen Gestalt zurückkehrte.
    Isabella hatte Noah ähnliche Verwandlungen Dutzende Male vollbringen sehen, sie selbst eingeschlossen. Er war ein Meister des Elements Feuer, und sie vertraute ihm bedingungslos. Aus Erfahrung wusste sie, dass es nur ein harmloser Trick war, bei dem er nur ganz wenig von seinen Fähigkeiten brauchte.
    Als Mutter allerdings, eine Mutter, die bis vor drei Jahren ein Mensch gewesen und wie die meisten Menschen nichts von diesen Dingen gewusst hatte, kam sie nicht gegen das flaue Gefühl in der Magengrube an, wenn sie bemerkte, dass ihr Kind auf molekularer Ebene manipuliert wurde. Im Stillen lachte sie einen Augenblick später über ihre dummen Ängste. Noah war geübt und erfahren, die Mindestanforderung, welche die Dämonen an ihren gewählten König stellten. Alles an ihm strahlte aus, dass er von Natur aus dazu bestimmt war. Er stammte aus einem mächtigen Dämonengeschlecht, und er hatte die ehrfurchtgebietende Geduld, Weisheit und Bildung einer großen Führungspersönlichkeit.
    Selbst seine sitzende Haltung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie groß er war und dass sein Körper genauso edel ausgeprägt war wie sein Geist. Er war zwar kein geborener Krieger, doch er blieb nicht auf seinem bequem gepolsterten Thron sitzen, während die anderen für ihn in den Kampf zogen. Isabella hatte an seiner Seite gekämpft, und sie wusste, wie stark er war, wie gerissen und vor allem wie gnadenlos er sein konnte, wenn er einem Feind gegenüberstand, der das bedrohte, was ihm am meisten am Herzen lag.
    Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass sie ihn so besser kannte, mit ihrer Tochter schmusend in seiner Rolle als Patenonkel, der wahrscheinlich genauso viel Zeit mit dem süßen kleinen Mädchen verbracht hatte wie die biologischen Eltern. Bella hatte kaum entbunden, da war schon klar, dass Noah und Leah ein Herz und eine Seele und unzertrennlich waren. Er überschüttete sie mit Liebe und Aufmerksamkeit und bevorzugte sie ganz offen. Und das, obwohl er mehr blutsverwandte Nichten und Neffen hatte, als Isabella zählen konnte.
    Bella schenkte der Bewunderung des Königs für ihr Kind nicht allzu viel Beachtung. Wie bei allem gab es auch hier verborgene Schichten, hauptsächlich dass er hier Gefühle zeigen konnte, die ein Mann in so einer Machtposition sonst nicht zeigen konnte. Isabella musste feststellen, dass sie gelegentlich noch zu der menschlichen Furchtsamkeit neigte, eine reflexartige Reaktion, die eigentlich eher eine Gewohnheit war. Doch gelang es ihr stets rasch, ihre Ängstlichkeit zu überwinden. Sie musste nur an die hohen ethischen Ansprüche ihres Dämonengatten denken, an seinen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und daran, dass genau diese Anlagen viele Dämonen in hohe Positionen brachten, eine Kategorie, unter die auch Noah fiel. Er ging mit gutem Beispiel voran, mit dem Wunsch, dass alle anderen folgen sollten.
    »Nun, dein Märchen ist anscheinend sehr wirkungsvoll«, flüsterte Isabella und bückte sich neugierig nach dem Buch.
    Plötzlich drehte Noah sich um, packte ihr Handgelenk und entwendete es ihr geschickt.
    »Danke«, sagte er und steckte das Buch wie zum Schutz in die Innentasche seiner Jacke.
    Isabella runzelte leicht
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