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Schattenspieler (German Edition)

Schattenspieler (German Edition)

Titel: Schattenspieler (German Edition)
Autoren: Dr. Michael Römling
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glaubte und sich duckte, um von
der Wirklichkeit möglichst unbeschadet überrollt zu werden.
    Und es hat U-Boote wie Leo gegeben. Während der größte
Teil der deutschen Juden, die nicht rechtzeitig das Land verlassen
hatten, in die Vernichtungslager deportiert und dort
ermordet wurde, versteckten sich einige Tausend von ihnen
(genau bekannt ist die Zahl nicht) in Kellern und Hinterzimmern
– unser Leo ist einer von ihnen. Und obwohl die
meisten ihrer ehemaligen Mitbürger von ihnen im wahrsten
Sinn des Wortes nichts wissen wollten (wie sie auch von den
Deportationen und von den Massenmorden nichts wissen
wollten), fanden sich hier und da Helfer wie Wilhelm, die
ihr eigenes Leben riskierten, um diese menschlichen U-Boote
unter der Meeresoberfläche der Großstadt zu verbergen und
zu versorgen. Viele von ihnen wurden am Ende doch entdeckt,
weil Gestapospitzel, Denunzianten und Verräter ihre
Augen überall hatten, und auch, weil sie mit der Zeit vielleicht
unvorsichtig wurden, die Wohnungen verließen, in Ausweiskontrollen
gerieten oder auf der Straße erkannt wurden. Dennoch
überlebten allein in Berlin etwa 1.400 Personen auf diese
Weise den Krieg.
    Den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) hat es wirklich
gegeben, und seine Arbeit lief in etwa so ab, wie der
betrunkene Fritz Mackensen sie beschreibt: Das eigentliche
Ziel, Material über weltanschauliche Gegner der Nationalsozialisten
zu sammeln, trat bald in den Hintergrund, weil
opportunistische Charaktere, von Gier getrieben, dazu übergingen,
den ERR zur persönlichen Bereicherung zu nutzen.
Dasselbe gilt im Prinzip für die anderen Organisationen,
die sich an diesem lukrativen und für die Opfer nicht selten
tödlichen Beutezug beteiligten. Die Plünderer gingen umso
ungenierter vor, als ihre Führer nicht gerade ein Beispiel der
Zurückhaltung gaben: Hitler plante in der Tat ein gigantisches
Museum in Linz, und Göring, der über eine riesige Privatsammlung
verfügte, häufte an, was er an alten Meistern
bekommen konnte. Andere Parteigrößen sammelten ganz
ungeniert Kunst, die nach der nationalsozialistischen Weltanschauung
als »entartet« galt, doch auch sie kümmerten sich
nicht um die Herkunft der Ware, die sie bei ihren dubiosen
Hehlern kauften. Eine Wolowski-Sammlung hat es zwar nicht
gegeben, aber sie steht symbolisch für eine ganze Reihe von
hochkarätigen Sammlungen, die ihren rechtmäßigen Besitzern
gestohlen, abtransportiert und oft auseinandergerissen
und verscherbelt wurden. Alles in allem ist die Geschichte des
Kunstraubs während des Zweiten Weltkriegs eine Geschichte,
die viel mit Gier und wenig mit Ideologie zu tun hatte: Jeder
arbeitete gegen jeden, um so viel wie möglich zusammenzuraffen.
Als der Krieg zu Ende ging, wanderten Tausende von
erbeuteten Kunstwerken kreuz und quer durch das Land, weil
die Räuber hofften, sie behalten und irgendwann wieder zu
Geld machen zu können. Eine ganze Reihe von Meisterwerken
verschwand auf diese Weise, ohne dass man jemals wieder
eine Spur von ihnen fand.
    Das Bernsteinzimmer ist eines dieser Meisterwerke. Genauer
gesagt, handelt es sich nicht um ein Zimmer, sondern
um eine Wandvertäfelung, die überwiegend aus geschnitztem
Bernstein bestand, kurz nach 1700 für das Charlottenburger
Schloss angefertigt und dann aber im Berliner Stadtschloss
eingebaut wurde. 1716 schenkte der Preußenkönig Friedrich
Wilhelm sie dem russischen Zaren Peter (dem Großen), der
ihm dafür groß gewachsene Rekruten für seine Leibgarde
schickte. So kam das Zimmer nach Sankt Petersburg und landete
schließlich im Katharinenpalast von Zarskoje Selo südlich
der damaligen russischen Hauptstadt.
    Als die deutsche Wehrmacht im Sommer 1941 in die Sowjetunion
einfiel, witterten der ERR und andere teilweise in
Behörden organisierte Kunsträuber fette Beute. Im September
erreichten die deutschen Truppen den Raum Leningrad. Obwohl
zu diesem Zeitpunkt bereits viele Kunstschätze vor der
heranrückenden Front in Sicherheit gebracht worden waren,
fiel das Bernsteinzimmer, dessen Demontage in der Eile zu aufwendig
gewesen war, in die Hände der Deutschen. Es wurde
(nach einigem Kompetenzgerangel) schließlich nach Königsberg
gebracht und dort im Schloss eingebaut und ausgestellt.
    Angesichts der Gefahren durch den Bombenkrieg (einen
ersten Brand im Schloss hatte das Bernsteinzimmer im Februar
1944 überstanden) wurde es nach kaum mehr als zwei
Jahren wieder abgebaut und wahrscheinlich im Keller des
Schlosses eingelagert. Um
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