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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel
Autoren: Charlotte Link
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Menschen ist es schwierig, normal und unbefangen umzugehen: Mit solchen, die sehr reich sind und mit solchen, die einen Mord begangen haben. Unglücklicherweise vereint unsere liebe Laura das auf grandiose Weise in sich!«
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    »Liebe Gina, liebe Natalie, liebe Mary und lieber Steve. Ken ist heute nacht gestorben. Inspektor Kelly rief mich vorhin an, um mir das zu sagen. Todesursache war das Heroin. Ich habe hin und her überlegt, wie er an den Stoff gekommen sein kann – er hatte kein Geld, keinen Job, war körperlich am Ende – ich meine damit, er hatte auch keine Chance, sich das Heroin gewaltsam zu besorgen. Jemand hat ihm die Spritze gegeben, und ich weiß, umsonst ist nichts dort, wo ich herkomme. Ich kann mir nur denken, daß es seine Freunde waren – Joe und Ben und Jay.
Und daß sie dafür die Information bekommen haben, die sie wollten.
    Wahrscheinlich wissen sie nun, wer der Mörder von David Bellino ist. Ken hat sein Geheimnis bestimmt nicht mit ins Grab genommen. Ich kannte ihn, wie er war, wenn er das Zeug nicht bekam, wenn er vor Schmerzen wimmerte, wenn er vor mir auf dem Boden lag, mich anflehte um einen Druck. In diesen Momenten hätte er seine eigene Mutter verraten.
    Wir haben also wahrscheinlich drei Mitwisser mehr – acht Menschen, die von einem Mord Kenntnis haben, sind ein bißchen viel, finden Sie nicht? Allerdings erscheint Ihnen das sicher weniger bedrohlich als mir, denn schließlich haben Sie alle miteinander saubere Hände. Für mich liegen die Dinge komplizierter. Solange ich lebe, bin ich vom Wohlwollen dieser sieben abhängig.
    Steve, Sie wollten heute früh eine Arbeit bei Bredow Industries und ein Appartement in Manhattan. Sie wissen wohl, daß ich kaum eine andere Wahl habe, als Ihnen diesen Wunsch zu erfüllen. Was möchten die anderen? Ich bin sicher, sie werden mir das schon noch dezent und freundlich mitteilen, auch wenn sie, im Gegensatz zu Steve, höflicherweise ein paar Tage damit warten. Und nicht zu vergessen Joe, Ben und Jay Den Jungs werden eine ganze Menge unerfüllter Wünsche einfallen. Ich glaube, daß Jay und Ben an der Nadel hängen, damit sind sie sowieso ein Faß ohne Boden. Und Joe hat sicher einige hochfahrende Pläne.
    Wissen Sie, ich fühle mich so entsetzlich elend. Nicht, weil mich Heerscharen von Erpressern umgeben. Nein, es ist dieses Gefühl, das ich hatte, wenn ich in den dunklen, kalten Nächten aufwachte und nach meiner Mutter rief. Oder wenn ich durch die Straßen irrte und nach ihr suchte. Jede Nacht dachte ich: Jetzt ist Mum tot! Diesmal ist es passiert! Als es schließlich soweit war, habe ich kaum begriffen, daß die dicke, alte Frau, die leblos vor mir im Schnee lag, tatsächlich meine Mutter war.
    Ich kann es nicht fassen, daß Ken tot ist. Ich habe es auch nicht fassen können, als David in seinem Arbeitszimmer blutend zusammenbrach.
Im übrigen ist mir bis jetzt nicht ganz klar, warum ich geschossen habe. Ich weiß nur, ich wünschte, ich hätte es nicht getan. Es war wohl auch meine Angst. Was sagte David über die Ratte, die zurückkehren soll in die Kanäle unter der Stadt? Diese furchtbare Angst, wieder dort zu stehen, wo ich hergekommen bin!
    Ich habe mal in einem Buch den Satz gelesen: Die Angst sprang sie an. Mir hat dieser Ausdruck sehr gefallen. Genau das gibt es nämlich. Es gibt die Angst, die ganz langsam in einem erwacht, irgendwo im Bauch, und dann kriecht sie durch den ganzen Körper, breitet sich mehr und mehr aus, so wie Nebel sich ausbreitet oder Rauch, und dann ist man schließlich ganz erfüllt von ihr, und man denkt, man ist gelähmt. Und es gibt diese Angst, die einen anspringt, plötzlich und unerwartet, sie hat scharfe Krallen und reißende Zähne. Sie lähmt den Körper nicht, sie macht ihn wach und panisch – und unvorsichtig. Es war diese Angst, die über mich herfiel, als ich David und Gina belauschte.
    Ich habe das Gefühl, ich drücke mich ziemlich verworren aus, aber ich fühle mich so entsetzlich elend. Dieses Penthouse ist so kalt, so steril, so protzig. Heute kommt es mir besonders abweisend vor, in dieser furchtbar hellen Wintersonne. Ich denke dauernd, ich müßte anfangen mit den Zähnen zu klappern, dabei läuft die Heizung auf vollen Touren. Ich friere von innen, das kenne ich schon mein Leben lang. In unserer Wohnung in der Bronx war es im Winter meistens so grausam kalt, daß es mich noch heute wundert, warum wir nicht erfroren sind, aber ich erinnere mich, daß mir nicht die Frostbeulen an den
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