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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter
Autoren: Sarah Nikolai
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betonte. Just in dem Moment, in dem ich mich umdrehen wollte, betrat die Blondine vom Tisch im Vorgarten das Café und winkte mit ihrer Geldbörse. »Zahlen bitte.«
    »Ich kümmere mich um Ira«, sagte Gladice und ging zur Kasse. »Macht sechs Dollar.«
    Während sie in ihrer Börse nach Kleingeld suchte, musterte sie mich erneut und, wie sie wahrscheinlich glaubte, unauffällig. Dieses Mal starrte ich jedoch zurück, was sie sehr erschreckte und rasch das Weite suchen ließ.
    »Nimm es den Leuten hier nicht übel. Wir sind einfach ein neugieriges Völkchen. Deine Ankunft hat sich schnell rumgesprochen«, flüsterte Abigail mir zu und führte mich eine hölzerne Treppe ins obere Stockwerk hinauf.
    »In Calmwood passiert nicht viel. Wir haben nicht mal so viele Einwohner wie Hot Springs. Jeder kennt jeden. Und Neuigkeiten sprechen sich schneller rum, als einem manchmal lieb ist.«
    Wir gingen einen langen Flur entlang. Die Dielen knarrten leise unter meinen Turnschuhen. Tante Abigail blieb vor der vorletzten Tür stehen und drückte die Klinke mit ihrem Ellbogen herunter. »Wegen Ira musst du dir keine Gedanken machen. Ist ein ganz nettes Mädchen.«
    Ich war von dieser Aussage nicht sonderlich überzeugt, was man mir wohl ansah.
    »Glaub es mir.«
    »Na schön, wenn du es sagst.« Ein bisschen weniger Neugier hätte dieser Ira auch gut zu Gesicht gestanden.
    »Hier ist es. Ich hoffe, du bist damit zufrieden?« Sie stellte die Teetasse auf einem kleinen Tisch in der Ecke ab.
    Ich betrat den gemütlichen Raum, der fast genauso groß wie mein Zimmer zu Hause war, stellte mein Gepäck ab und spürte, wie mich wieder die Müdigkeit überfiel. Dieses Mal stärker als zuvor.
    »Es ist toll«, sagte ich und unterdrückte ein Gähnen.
    »Freut mich. Hier kannst du deine Sachen unterbringen.« Tante Abigail zeigte auf den großen Eichenholzkleiderschrank, der fast bis zur Decke reichte.
    »Ich glaube, das schaffe ich heute nicht mehr. Ich packe morgen aus.«
    »In Ordnung. Falls etwas sein sollte oder du etwas brauchst, ich schlafe gleich nebenan. Bis zum Abend bin ich aber im Café. Das Bad ist gleich links neben deinem Zimmer. Wir haben Warmwasser.« Das war beruhigend.
    »Ich freue mich, dass du da bist. Das wird eine ganz tolle Zeit«, fügte sie hinzu. »Aber jetzt lasse ich dich erst mal in Ruhe ankommen.« Ich nickte dankbar. Leise zog sie die Tür hinter sich zu.
    Für mich war das alles sehr unwirklich. Ich hatte noch nicht realisiert, wie weit ich von zu Hause weg war. Dafür war ich viel zu müde. Ich wollte nur eins, nämlich schlafen. Erschöpft trank ich einen Schluck Zitronentee, ehe ich mich auf mein Bett fallen ließ. Die Matratze gab sacht unter mir nach, und ich schlief auf der Stelle ein. Gegen fünf Uhr morgens wachte ich auf.
    Die Sonne war bereits aufgegangen und schien mir ins Gesicht, da kein Rollo vor dem Fenster war. Vergeblich suchte ich nach einer besseren Schlafposition, zog mir die Decke über den Kopf und vergrub mein Gesicht im Kissen. Eine Stunde später gab ich es auf und schleppte mich ins Bad. Die heiße Dusche weckte meine Lebensgeister, und ich fühlte mich wie neugeboren.
    Da meine Tante noch schlief und das Desert Springerst um 8.30 Uhr öffnete, beschloss ich, mich ein bisschen in Calmwood umzusehen.
    Schnell hatte ich den Stadtrand erreicht. Eine weite Graslandschaft tat sich vor mir auf, die sich bis zum Horizont erstreckte. Einzelne Wolken standen am sommerblauen Himmel. In der Ferne sah ich einige Bäume und Felsen. Die Ausläufer der Black Hills.
    Einige Schritte von mir entfernt lag etwas im Gras. Doch ich konnte nicht ausmachen, was es war. Vielleicht eine Jacke oder eine zusammengerollte Decke, die jemand vergessen hatte. Ich ging näher heran und merkte schnell, dass ich mich irrte. Das Etwas war pelzig und merkwürdig eingedrückt. Dann erkannte ich Pfoten und wich instinktiv zurück.
    Das war ein Tier.
    Es sah übel zugerichtet aus. Ich konnte nicht erkennen, was für ein Tier es war. Dafür war es viel zu entstellt. Der Wind strich sanft über sein stumpfes Fell und bewegte es leicht.
    »He, was machst du da?«
    Erschrocken sah ich hoch und blickte in das schmale Gesicht eines jungen Mannes, der plötzlich vor mir stand.
    Lange braune Haare umschmeichelten sein Gesicht, dunkle Augen funkelten wütend. Unverkennbar floss das Blut amerikanischer Ureinwohner in seinen Adern.
    »Jemand muss es angefahren haben«, platzte ich heraus.
    Er betrachtete mich abschätzend, was mir
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