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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz
Autoren: M Bomm
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nahm plötzlich einen seltsamen Geruch an. Faller verlangsamte instinktiv seinen Schritt. Es roch nicht mehr nach warmem Holz und altem Gemäuer. Ein seltsam beißender Gestank schlug ihm entgegen. Er blieb auf der zweitletzten Stufe stehen.
    »Ist was?«, fragte die Mesnerin jetzt völlig außer Atem. Stumper hinter ihr schwieg und war froh, sich für einen Moment von den Strapazen des Aufstiegs in dieser schwülheißen Nacht erholen zu können.
    Faller tastete hinter sich nach der Hand der Mesnerin, um die Taschenlampe greifen zu können. Er spürte das handwarme Metall und richtete die Lampe nach vorne.
    »Warum geht ihr nicht weiter?«, meldete sich jetzt Stumper, der im Dunkeln stand.
    Maria Gunzenhauser schien den Grund von Fallers plötzlichem Zögern erkannt zu haben. »Es riecht so komisch«, flüsterte sie.
    Faller ließ den Strahl über die Metallkonstruktion gleiten und traf damit die vordere Glocke, deren dunkles Metall sämtliches Licht verschluckte. Gerade als er die paar Schritte vollends nach oben stieg, übertönte ein metallisches Klicken das unvermindert starke Rauschen des Regens. Die drei Personen blieben für einen Augenblick regungslos stehen. Niemand von ihnen konnte das Geräusch zuordnen. Zeit zum Nachdenken blieb nicht, denn eine halbe Sekunde später erfüllte ein gewaltiger Glockenschlag den Raum. Und dann, als sei es erst der Anfang eines Horrorszenarios, zuckte wieder ein Blitz, dem sofort der Donner folgte und den ganzen Turm erzittern ließ.
    Faller war der Erste, der sich wieder fing. »Viertel nach 11«, stellte er sachlich fest, spürte dabei aber einen Kloß im Hals. Ob dieser von dem gerade überstandenen Schock herrührte oder von dem penetranten Gestank, hätte er nicht sagen können. Stumper, der jetzt auch die Glockenstube betreten hatte, war entsetzt: »Hier stinkts ja bestialisch.«
    Faller sagte kein Wort. Er hatte den Lichtkegel der Taschenlampe nach rechts gerichtet – in den schmalen Freiraum zwischen der Glockenaufhängung und der Wand. Was er dort sah, ließ ihn schaudern. Er wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus.
     
    Nur langsam zog das Gewitter ab und der Regen ließ nach. Weil es nicht allzu sehr abgekühlt hatte, blieb die Nacht ungewöhnlich mild. Die Festbesucher, die unter Planen und Vordächern Schutz gesucht hatten, gruppierten sich jetzt wieder um die Verkaufsstände. Obwohl es inzwischen auf Mitternacht zuging, hatten die Bands und Showgruppen dem tropischen Regen getrotzt und weitergespielt.
    Sabrina Simbach wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihre Füße waren nass, denn das Wasser hatte sich unter ihrem Stand hindurch einen Weg zum nächsten Gully gesucht. Sergije war den ganzen Abend über eine große Hilfe gewesen. Er hatte bedient, während sie kassierte und eine andere Angestellte für Nachschub sorgte und die Spülmaschine mit schmutzigen Gläsern belud und wieder entleerte.
    Sabrina atmete ein paar Mal tief durch, als sie im Licht der Kandelaber einen Mann näher kommen sah. Es war Bierbrauer Friedrich Kaiser, dessen blaues Hemd am Oberkörper klebte. Sein ernstes Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln. »Den Regenguss gut überstanden?«
    Sabrina kam auf ihn zu und stand ihm am Verkaufstisch gegenüber. »Es ist ja wenigstens nicht kalt geworden«, erwiderte sie, während sie sich die Hände schüttelten.
    »Ich glaub auch, dass wir noch mit einem blauen Auge davongekommen sind.«
    »Aber morgen soll das Wetter wieder besser werden«, erwiderte Sabrina. »Wenn wir Glück haben, holen wir alles wieder rein.«
    »Wo ist eigentlich Ihr Mann?«
    Sie zuckte mit den Schultern. Was sollte sie jetzt auch sagen? Die ganze Stadt munkelte schließlich über Alexanders seltsames Verhalten. Und spätestens jetzt, nachdem er weder zu der gestrigen Sitzung mit der Dekanin erschienen war noch sich am Verkaufsstand hatte blicken lassen, würden neue Gerüchte die Runde machen. »Er hat sich der Verantwortung entzogen«, erklärte Sabrina. Sie war nicht mehr bereit, ihre Situation zu beschönigen oder ihn in Schutz zu nehmen. Das hatte sie viel zu lange getan und sich einengen lassen. Nein, wenn die ganze Stadt wusste, was los war, dann ging sie jetzt in die Offensive.
    »Aber geschäftlich läuft es?«, hakte der Bierbrauer nach. »Oder hängt das alles jetzt an Ihnen?«
    Klar, auch Kaiser hatte längst mitbekommen, dass Alexander kaum noch Interesse am Geschäft zeigte.
    »Es hängt an mir. Und ich befürchte, daran wird sich auch kaum
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