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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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abgezirkelten imaginären Kreis zu verteilen.
    »Das hier sind
unsere wichtigsten Beweisstücke in der Sache Stolberg. – Der Täter ist entlarvt.
– Aber damit kennen wir noch nicht seine Hintermänner!«
    Um Gottes
willen, soll dem Drama noch ein Akt folgen?, dachten die meisten. Kroll gab Noël
ein Zeichen. Der flüsterte Viviana etwas ins Ohr, die daraufhin eine kleine Pappschachtel
hervorholte und auf den Tisch legte. Noël schob sie vorsichtig zu Kroll herüber.
Alle waren gespannt, was nun folgen würde.
    Der legte sie, ohne den Deckel zu
lüften, genau in die Mitte des Kreises. »Die verbrecherischen Aktivitäten Romanowskys
sind das eine. – Es gibt aber etwas, was das alles noch übertrifft. Wie eine Spinne
sitzt nämlich im Zentrum aller Geschehnisse jemand, der die eigentlichen Fäden zieht.
Jemand, der Macht über andere besitzt und diese zu ihren Taten verleitet, der große
Unbekannte, die graue Eminenz im Hintergrund, wenn Sie so wollen.
    Um Ihnen das zu erläutern, möchte
ich umgekehrt wie vorhin vorgehen: Erst die Motive, dann die Beweise. – Fangen wir
mit Ihnen an, Herr Diabelli, Sie, der es eben noch so eilig hatte, unserer Geschichte
ein Ende zu setzen. Erinnern Sie sich noch, was Sie mir gegenüber bei unserem ersten
Zusammentreffen sagten? – Nein? – Nun gut, meine Nichte Micha war dabei. Die kann
Ihr Gedächtnis auffrischen.«
    Micha bekam einen roten Kopf, weil
sich aller Aufmerksamkeit plötzlich auf sie konzentrierte. Aber sie wusste genau,
was ihr Onkel meinte: »Der Herr Schlossverwalter antwortete auf die Frage, wer er
sei, man könne ihn den Herrscher der Seelen nennen.«
    Diabelli zeigte keinerlei Reaktion.
Starr saß er auf seinem Stuhl, die Hände teilnahmslos im Schoß gefaltet, und musterte
Micha mit seinen eiskalten Augen.
    »Herrscher der Seelen. – Richtig,
so war das«, fuhr Kroll fort. »Was könnte er damit gemeint haben? – Ich habe mir
lange über diesen merkwürdigen Begriff den Kopf zerbrochen. – Ist es Blasphemie?
Fühlt sich da jemand über Gott erhaben? – Handelt es sich um den Kopf einer religiösen
Sekte? – Oder ein Wanderprediger, ein Schamane, ein Wunderheiler? Ein politischer
Wirrkopf? – Oder einfach nur ein Scharlatan, der sich für etwas Besseres als der
Rest der Welt hält?
    Jedenfalls kann so ein Spruch nur
von jemandem stammen, der ganz offensichtlich mit der Seele anderer Menschen sein
Spiel treibt, sich ihrer Wünsche, Hoffnungen, Zweifel und Sehnsüchte bedient, um
andere für seine dunklen Zwecke zu missbrauchen. – Jemand, der anderen einen Schatten
auf die Seele wirft.«
    Jetzt war es an dem Inspektor, dem
Schlossverwalter eiskalt und gnadenlos in die Augen zu schauen. Micha bekam Angst.
So einen harten Gesichtsausdruck hatte sie bei ihrem Onkel noch nie gesehen. Er
war für sie plötzlich ein fremder Mensch.
    »Welches Spiel treiben Sie, Herr
Diabelli? – Keine Antwort ist auch eine. – Nun ich werde es Ihnen sagen. – Ich weiß
jetzt, warum seinerzeit der Schlüssel im Torwärterhäuschen fehlte. Auch das fiel
mir gleich bei meinem ersten Besuch auf: Der Schlüssel zu ›Rodtberes Keller‹. Es
ist der Schlüssel zu Ihrem bislang wohlgehüteten Geheimnis. – Und, wenn Sie so wollen,
der Schlüssel zu Ihrer eigenen Seele. – Ich weiß, was sich dort unten verbirgt,
unten in den Katakomben dieser Gemäuer.«
    Endlich zeigte Diabelli eine erste,
karge Reaktion. Er griff mit beiden Händen an den Rand der Tischplatte. Seine Miene
zeigte jedoch keinerlei Regung. Es war, als sei er innerlich auf dem Sprung.
    »Ich weiß von Ihren Büchern dort,
von den Schlangen, von dem unterirdischen Altar. – Ich habe Ihre Aufzeichnungen
studiert, in Ihrer ›Satanischen Bibel‹ geblättert. – Und es gibt nur einen Schluss
aus alledem: Sie sind ein militantes Mitglied einer satanistischen Sekte. – Das
an sich ist natürlich kein Straftatbestand. Aber Sie, – Sie haben den Satanismus
auf die Spitze getrieben, so wie wir das aus dem berüchtigten Satansmord von Witten
im Jahre 2001 kennen. Auch Sie haben verabscheuungswürdige Verbrechen begangen und
andere mit in den Strudel Ihrer Ideologie hineingerissen. – Sie sind kein Schlossverwalter,
Sie sind der Verwalter des Todes. – Sie sind der personifizierte Teufel!«
    Der Angesprochene stieß ein helles,
blechernes Lachen aus, das durch das ganze Eutiner Schloss hallte.
    »Sie fantasieren! Sie lesen zu viele
Bücher! Als Kriminalrat sollten Sie sich lieber den Tatsachen widmen.«
    »Gern,
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