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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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richtig gehört: Mord«,
fuhr der Inspektor fort. »Und wir von der Polizei sind verpflichtet, den Fall lückenlos
aufzuklären und den Täter festzusetzen.«
    »Das ist ja schön und gut«, bellte
der Schlossverwalter mit seiner scharfen Diskantstimme. »Aber warum wollen Sie unsere
Ehrenfeier für den Grafen dazu missbrauchen? Und warum benötigen Sie dafür unbedingt
unsere Anwesenheit?«
    »Das kann ich Ihnen schnell und
kurz beantworten, sehr verehrter Herr Diabelli. – Der oder die Täter befinden sich
hier im Raum«, konterte Kroll in einem hartentschlossenen Ton, den ihm niemand zugetraut
hätte.
    Entrüstung
im Saal. Jemand warf sein Messer polternd in eine Obstschale, als wolle er sich
einer Tatwaffe entledigen. Ein Weinglas kippte um, und der Sherry bildete auf der
blütenweißen Tischdecke eine Lache, die wie Blut aussah. Stühlerücken. Einige wollten
empört aufspringen, trauten sich aber nicht, weil sie dachten, sich dadurch verdächtig
zu machen.
    »Sie können sich beruhigen«, versuchte
Kroll der Unruhe Herr zu werden. »Sie haben doch nichts zu befürchten. – Alle, bis
auf einen, – oder vielleicht auch zwei.«
    »Dann machen Sie es doch nicht so
spannend und nennen einfach die Namen«, wagte die Gräfin von Bülow einzuwenden.
    »So einfach, wie Sie denken, gnädige
Frau, ist das leider nicht. Immerhin haben Herr Dorndorf und ich schwerwiegende
Verdachtsmomente gegen fast jeden von den Anwesenden.«
    Jetzt ging der Aufruhr erst richtig
los. Einige schimpften laut vor sich hin, andere sprangen auf und drohten Kroll
mit dem Dessertlöffel. »So nicht!« – »Das lasse ich mir nicht gefallen!« – »Unerhört,
das geht zu weit!«
    Die Jugendlichen amüsierten sich
heimlich. Micha stellte ihr Handy auf Sprachaufnahme, um das folgende Gespräch zu
dokumentieren. Ihr Onkel hatte sie vorher darum gebeten. So ersparte er es sich,
Protokoll zu schreiben. Mit einer unauffälligen Geste gab er seinem Kollegen das
Zeichen fortzufahren. Der stand bedächtig auf, knöpfte sich umständlich das Jackett
zu und wartete geduldig ab, bis sich die Unruhe gelegt hatte.
    Ehe er ansetzen konnte, entfuhr
der Gräfin ein Satz, der laut und schwer im Raum hängen blieb: »Es ist unter meiner
Standeswürde als Adelige, eines derartig absurden Vorwurfs ausgesetzt zu sein. –
Ich – bin – unschuldig!«
    Eingeschnappt griff sie ihr volles
Glas mit beiden Händen und leerte es in einem Zug. – Nicht gerade adelig.
    »Wenn Sie erlauben, möchte ich mit
Ihnen anfangen, verehrte Gräfin«, sagte Dorndorf in ausgesprochen ruhigem Ton. Die
Dame verschluckte sich fast. »Uns liegen Erkenntnisse vor, die uns berechtigen,
Sie auf einer der obersten Positionen in der Liste der Tatverdächtigen zu setzen.
– Wir haben diskret einige Erkundigungen über Sie und Ihre Vergangenheit eingeholt.«
    Bei dem Wort ›Vergangenheit‹ erbleichte
die Dame sichtbar. Dorndorf bemerkte es und beeilte sich hinzuzufügen: »Nun, keine
Angst, gnädige Frau. Ich möchte hier keineswegs Details aus Ihrem Vorleben ausbreiten.
Sie werden wissen, was ich meine. – Aber das sind Dinge, die hier nicht im Zusammenhang
mit der Aufklärung des Mordes an dem Grafen Stolberg stehen. – Zumindest nicht unmittelbar.«
    »Richtig«, warf die Gräfin nervös
dazwischen. »Welches Motiv sollte ich auch haben, den ehrenwerten Grafen zu töten?«
    »Nun, da gäbe
es aus meiner Sicht mehrere Möglichkeiten, – theoretisch wenigstens. Eine wäre,
dass Sie wegen Ihrer Vergangenheit erpresst wurden. – Oder, was auch im Bereich
des Möglichen läge, es gab Unstimmigkeiten zwischen Ihnen beiden in Zusammenhang
mit Ihren mallorquinischen Plänen. Ganz zu schweigen von den Differenzen in Zusammenhang
mit der Zukunft der Eutiner Festspielwochen. Meine Recherchen darüber zeigen …«
    »Das alles ist absurd und gehört
nicht hierher!«, unterbrach ihn der Jungherzog in herrischem, selbstsicherem Ton.
»Es ist nicht an Ihnen, meine Verlobte mit derart diffamierenden Anschuldigungen
zu beleidigen. Zumal Sie ja offenbar nicht die geringsten Beweise haben.« Mit einer
theatralischen Geste legte er seine Hand auf der Gräfin Unterarm. »Und was ihre
Vergangenheit angeht, so versichere ich Ihnen, dass ich vorbehaltlos hinter meiner
zukünftigen Braut stehe.« Die Gräfin warf ihm einen dankbaren Blick zu. Die Herzogin,
seine Mutter, rieb sich zufrieden die Hände. Endlich war der Sohn endgültig in den
Schoß der Dynastie zurückgekehrt.
    Um die Situation nicht
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