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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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eskalieren
zu lassen, schaltete sich Kroll wieder in das Gespräch, das sich fast zu einem veritablen
Verhör entwickelt hatte.
    »Entschuldigen Sie, gnädige Frau.
Es war nicht die Absicht meines Kollegen, Sie zu demütigen. Im Gegenteil, wir beide
sind überzeugt, dass Sie mit der ganzen Sache nichts zu tun haben. Herr Dorndorf
wollte mit seinen kargen Andeutungen nur unterstreichen, wie brüchig oft das ist,
was wir Wahrheit nennen. Ein geschickter Winkeldetektiv hätte sehr wohl leichtes
Spiel gehabt, jedem von Ihnen hier in der Runde das Verbrechen unterzuschieben.
Wir aber –«, er nahm einen kleinen Schluck Sherry, um sich sorgfältig seine nächsten
Worte zu überlegen. Schließlich musste er den Eindruck erwecken, dass alles, was
er hier vortrug, hieb- und stichfest sei.
    »Wir jedoch sind Profis und arbeiten
nur mit handfesten Beweisen. – Nehmen wir zum Beispiel Sie, verehrter Herr Jungherzog.«
Kroll wählte diese etwas unglückliche Anrede, weil er nicht wusste, wie man den
Erbfolger derer zu Altenburg titulieren sollte. Der löste seine Hand von seiner
Verlobten und lehnte sich brüsk empört in seinen Stuhl zurück, als wolle er sich
so aller zu erwartenden Anfeindungen erwehren.
    »Gerade Sie zählen zu den Spitzenkandidaten
auf unserer Liste der Verdächtigen.« Im Gegensatz zur immer noch bleichen Gräfin
lief dessen Gesicht puterrot an. War es wütende Empörung oder war es die Schamesröte
eines, der befürchtete, überführt zu werden?
    »Der gnädigen Frau könnten wir allenfalls
den Mord an dem Grafen anhängen, nicht aber den an den beiden anderen, deren Ermordung
– und das dürfen wir hier nicht vergessen – ganz offenkundig in festem Zusammenhang
zu der des Grafen steht. – Bei Ihnen ist das anders. Bitte erinnern Sie sich daran,
dass die Archivbeamtin immerhin in dem Hause getötet wurde, in dem Sie gern inkognito
weilten, um sich in Damenbegleitung den Annehmlichkeiten der Großstadt Lübeck hinzugeben.
Die gefundenen Indizien würden ausreichen, Sie des Mordes an der Frau Doktor Gisella
Gaiger zu überführen. – Das Motiv? – Wer weiß? – Eifersucht, Erpressung, Karrieresucht.
– Genau, – das wird’s gewesen sein. Sie waren schon immer scharf darauf, endlich
Herzog von Altenburg zu werden. Und da haben Sie die Frau ausgenutzt, um den Tatverdacht
auf Ihren Vater zu lenken, den Sie dann in aller Ruhe beerben konnten.«
    Die Worte lasteten schwer auf den
Schultern der Herzogsfamilie. Kroll spürte das, aber er ließ nicht locker. »Und
dann würde auch der Tod an dem armseligen Wilderer oben beim Kolksee seine Begründung
finden. Eine ganz simple: Sie haben den armen Kerl auf Grund der Kleidung mit Ihrem
Vater verwechselt und wollten so – gewissermaßen auf direktem Wege – in seine Fußstapfen
treten. – Immerhin hatten Sie ja freien Zugang zu einer Flinte, deren Lauf sich
leicht absägen ließ.«
    Dem Herzog platzte der Kragen. »Das
geht zu weit, Herr Inspektor! – Als Gastgeber und Herr des Hauses verbitte ich es
mir, den Namen unserer Familie derart in den Dreck zu ziehen! Ich werde mich an
höherer Stelle über Sie …«
    Nun fand es Dorndorf an der Zeit,
das Heft wieder in die Hand zu nehmen. »Echauffieren Sie sich bitte nicht, Durchlaucht!
Herr Kroll meinte das sicherlich nicht persönlich. Wir wollten Ihnen nur demonstrieren,
dass die Fakten, die wir beweiskräftig ans Tageslicht gebracht haben, sehr wohl
ausreichen, um den Täter zu überführen. – Im Falle des Jungherzogs, Durchlaucht,
würde allerdings der Tod des Grafen Stolberg nicht so recht ins Bild passen. Also
haben wir uns entschlossen, ihn von der Liste vorläufig zu streichen. – Aber wie
ist das mit Ihnen höchstpersönlich? – Hätten nicht auch Sie Motive und Gelegenheiten
genug gehabt, die Morde zu verüben?«
    Der Angesprochene fand das zu brüskierend,
als dass ihm eine passende Antwort einfiel. Er funkelte den Sprecher wütend an,
sagte aber keinen Ton. Also fuhr Dorndorf fort: »Sie gehörten zu den wenigen, die
genau wussten, wo sich der Graf in Mallorca aufhielt. Sie beide waren in Geschäfte
verwickelt, die, wenn man sich an den seltsamen Postkartengruß erinnert, in meinen
Augen recht merkwürdig waren. – Und darüber hinaus wäre es auch möglich, dass Sie,
Durchlaucht, immer noch nicht den Verlust dieses herrlichen Schlosses überwunden
haben und sich an dem Grafen wegen seiner Stiftungsidee rächen wollten. –Vergessen
wir außerdem nicht, dass es Ihre Waffe war, mit Ihren
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