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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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die helle Stelle, den er durch
die Lichtabschattung während seines jahrhundertelangen Hängens hinterlassen hatte.
    »Was ist mit dem Schlüssel, der
dort fehlt?«, wollte Kroll wissen.
    Der Verwalter brummte vor sich hin.
»Keine Ahnung. Das war wohl vor meiner Zeit.«
    »Merkwürdig, der Schlüssel muss
aber doch erst kürzlich abgenommen worden sein, sonst wäre das Profil nachgedunkelt
…« Kroll fühlte, dass der Mann seiner Frage auswich.
    Diabelli nahm einen der etwas moderner
aussehenden Schlüssel vom Haken. »Folgen Sie mir. – Aber auf eigene Verantwortung.
In so einem alten Gebäude lauern überall Gefahren. Ich will nicht verantwortlich
sein, wenn Sie oder Ihre …, äh, ich meine, Ihr Zeuge sich das Genick brechen.«
    Ich glaube, ich muss ihm klarmachen,
dass ich hier bald die Prinzessin bin. Dann werde ich ihn auf der Stelle entlassen,
ging es Micha durch den Kopf.
    Zu dritt stiegen sie die breite
Turmtreppe hinauf. Im zweiten Stock öffnete Diabelli eine Tür. »Das Büro des Stiftungsvorstandes,
bitte sehr. Schauen Sie sich in Ruhe um. Aber bitte fassen Sie nichts an und machen
Sie nichts kaputt. Finden werden Sie sowieso nichts.«
    Der Raum machte einen ordentlichen
Eindruck. Eine Regalwand beherbergte die für ein Büro typischen Aktenordner. ›Protokolle
Stiftungsrat‹, ›Satzung‹, ›Schriftverkehr Ministerium‹, ›Rechnungen‹ und Ähnliches
konnte Kroll auf den Aktenrücken erkennen. Den Ordner mit den Sitzungsprotokollen
des Stiftungsrats nahm er kurzerhand aus dem Regal und klemmte sich ihn unter den
Arm.
    Wahrscheinlich nur unwichtiger Papierkram.
Das bringt mich jetzt bestimmt nicht weiter, dachte sich Kroll. Ich werde Hopfinger
darauf ansetzen. Das ist genau das Richtige für ihn.
    Diabelli merkte, dass der Inspektor
den Ordner mitnehmen wollte und fauchte: »Die Unterlagen können Sie nicht mitnehmen,
die werden noch gebraucht. – Und überhaupt, sind Sie denn dazu berechtigt? Haben
Sie eigentlich einen Hausdurchsuchungsbefehl?«
    Kroll fixierte den Verwalter mit
einem unerwartet harten Blick und erwiderte scharf: »Ich bin Ihnen gegenüber nicht
rechenschaftspflichtig. Ich tu, was ich für richtig halte. – Was geht Sie das überhaupt
an? Oder haben Sie ein Interesse daran, dass ich die Akten nicht durchsehen soll?«
    Der Mann wich dem starren Blick
Krolls aus.
    »Ich, – nein, natürlich nicht. –
Ich dachte nur …«
    »Das Denken überlassen Sie gefälligst
mir. Ich werde dafür bezahlt.«
    Micha sah sich einstweilen ein bisschen
um.
    Ein alter Stich von der Schlossanlage
hing an der Wand. Der darauf abgebildete riesige barocke Lustgarten südlich vom
Schloss beeindruckte sie. Auf dem See schaukelte sogar ein Zweimaster. Ein beachtlicher
Festungsbau thronte auf der Fasaneninsel.
    »Diese Darstellung muss man etwas
kritisch sehen. Der Maler hat alles ziemlich übertrieben, um den Anschein von Macht
und Reichtum zu vergrößern. Solche Stiche gingen seinerzeit von Hof zu Hof, und
man betrog sich gern gegenseitig. Fotos, Internet oder gar Google-Maps gab es ja
nicht.« Diabelli presste ein hohles Lachen durch seine Zähne. Anscheinend fand er
das witzig.
    Micha ignorierte ihn. Ihr fiel auf,
dass der Verwalter rastlos durch den Raum schritt, aber immer darauf bedacht zu
sein schien, den Lichtfleck, den die Sonne durch das Fenster auf die Holzdielen
warf, zu meiden.
    Kroll setzte sich an den Schreibtisch
und kramte einen Zigarettenstummel aus der Manteltasche. Er strich ihn sorgfältig
glatt, bevor er ihn in den Mund steckte.
    »Zum Teufel, sind Sie wahnsinnig?
Rauchen ist hier strengstens verboten!«
    Der Inspektor
kümmerte sich nicht weiter um ihn. Rauchen wollte er ohnehin nicht. Ihm genügte
schon der Geschmack von Tabak auf der Zunge. Außerdem funktionierte sein Feuerzeug
sowieso nicht. Vorsichtig durchstöberte er die Papiere, die auf dem Schreibtisch
lagen, Rechnungen, Anträge, Bauskizzen. Ein recht unauffälliger Zettel mit einer
handschriftlichen Notiz fiel ihm ins Auge: ›Herkunft und Qualifikation Romanowskys
prüfen, Stolberg‹.
    »Wer ist Romanowsky?«, fragte er
den Verwalter.
    Kroll fiel auf, dass bei der Namensnennung
ein spürbarer Ruck durch Diabelli ging. Der blieb steif in einer etwas dunklen Ecke
stehen und bequemte sich vorsichtig zu einer vagen Erläuterung.
    »Romanowsky? – Nikolaus Romanowsky.
Das ist der Pächter der Fasaneninsel. Er ist dem Herzog gegenüber für den Gewässerschutz
und den Fischfang in den Eutiner Seen verantwortlich. –
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