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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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des
Schlosses zu retten, war der jetzige Herzog im Jahre 1992 gezwungen, seinen Besitz
in die Stiftung Eutiner Schloss umzuwandeln. Das Land Schleswig-Holstein bestritt
die kostspielige Restaurierung und Erhaltung der Schlossanlage, der Herzog übertrug
seinen Besitz treuhänderisch der Stiftung.
    Heute gelangt man in das Schloss
über eine Brücke, die den allseitig umrahmenden Schlossgraben überspannt, durch
das mächtige Torhaus von Westen aus in den Innenhof. Das Torhaus beherbergt das
Büro der Stiftung und die Wohnung des Schlossverwalters. Linker Hand befindet sich
im Obergeschoss der prächtige Rittersaal, der heute für Konzerte und feierliche
Veranstaltungen genutzt wird. Die Schlosskapelle schließt das Rechteck nach Südosten
ab. Dort finden wir noch heute den Originalprospekt einer Arp-Schnitger-Orgel aus
dem späten 17. Jahrhundert. Das Innenleben wurde im 19. Jahrhundert erneuert. In
der Südwestecke dominiert ein mächtiger Rundturm, der in seiner Ostnische eine Geheimtreppe
birgt. An mehreren Stellen ist das Schloss trotz des sumpfigen Untergrunds unterkellert.
     
    Kroll genügte dieser kurze Überblick. Frau Grell hatte sich wirklich
große Mühe gegeben. Wahrscheinlich hat sie sich, so dachte der Inspektor, einen
jungen Geschichtslehrer geangelt. Die mittelreife, aber immer noch recht ansehnliche
Sekretärin war bekannt für ihren Männerkonsum.
    Er ging eiligen Schrittes zur Torbrücke,
wo Micha schon ungeduldig wartete und die steinernen Affen bestaunte, die die Brücke
auf beiden Seiten bewachten.
    »Onkel Michel, warum stehen hier
die Affen? Zu einer richtigen Burg gehören doch Pferde, oder wenigstens Löwen.«
    »Das sind Paviane. Soviel ich weiß,
galten sie im alten Ägypten als Symbol der Weisheit. Aber warum die hier stehen,
kann ich dir nicht sagen.«
    Das hätte Kroll auch nicht wissen
können. Denn nicht einmal die Fachleute in Eutin kannten den Grund. Fest stand nur,
dass die beiden Steine als Findlinge 1894 beim Bau eines Palastes in Oldenburg ausgegraben
und von einem Bildhauer nach ägyptischem Vorbild gemeißelt wurden.
    »Auf geht’s!«, munterte er seine
Nichte auf. »Zuerst statten wir dem Schloss einen Besuch ab, dann werde ich bei
der örtlichen Kripo reinschauen. Du kannst währenddessen im Schlosspark spielen
gehen. Den von Hopfinger anbefohlenen Besuch auf den Gütern Uklei und Altenburg
können wir uns vorläufig schenken. Vielleicht erfahre ich ja schon was bei dem Eutiner
Kollegen.«
    »Fein. Dann bin ich bald Schlossprinzessin.«

Kapitel 4: Diabelli
     
    Das große Eingangstor stand zur Hälfte offen, obwohl an dem anderen
Flügel ein unübersehbares Schild angebracht war: ›Museum geschlossen. Besichtigungen
erst wieder ab Mai.‹ Dennoch wagten sich Kroll und das Mädchen hinein. In der niedrigen
Tordurchfahrt hingen ein paar alte Löscheimer.
    »Das sind nur museale Erinnerungen«,
klärte der Inspektor seine Nichte auf. »Im Schloss selbst gibt es bestimmt ein modernes
Feuerwarnsystem.«
    Über den Innenhof schallten Orgelklänge.
Kaum hatten sie die Durchfahrt betreten, stürzte ein Mann von niedriger, gedrungener
Gestalt aus einer Art Pförtnerloge heraus. Er machte einen furchterregenden Eindruck.
Unter seinem schmierigen Overall zeichneten sich beachtenswerte Muskelpakete ab.
Der kurzgeschorene Schädel, der nahezu halslos auf den breiten Schultern saß, wies
eine Reihe von Platzwunden und Schrammen auf. In dem wilden, zerfurchten, unrasierten
Gesicht spiegelte sich deutlich der Charakter eines stumpfen Gewaltmenschen wider.
Breitbeinig stellte er sich den beiden Lübeckern in den Weg, machte eine abwehrende
Handbewegung und schubste sie regelrecht mit seinem aufgedunsenen Oberkörper wieder
hinaus vor das Eingangstor.
    »Raus!«, brüllte
er. »Nix Zutritt! – Da!« Er schlug mit seiner übermäßig behaarten Faust brutal auf
das Holzschild.
    Kroll blieb
verdattert stehen. Micha drückte sich verängstigt an seine Seite. So einen abweisenden
Empfang hatte sie sich als Prinzessin nicht vorgestellt.
    »Entschuldigen
Sie bitte, aber …«, brachte der Inspektor schüchtern vor.
    »Nix aber!
Nix Besuch! Verschwinden, sonst Hund!« Sein Gebrüll füllte den ganzen Schloss­innenhof.
Aus dem Dunkel der Pförtnerloge drang das gefährliche Knurren eines Wachhundes.
Plötzlich tauchte hinter ihm eine schmale, hohe Gestalt auf.
    »Ist gut, Dogger, du kannst zurück
an deine Arbeit. Das hier erledige ich schon selbst.« Das Faktotum verdrückte sich
knurrend,
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