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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg
Autoren: Andreas Saumweber
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Mal an das Labyrinth des Minotaurus. Lange, verwinkelte Korridore, schlecht belüftet und noch schlechter beleuchtet; Kerkerzellen, deren Insassen von der Menschheit vergessen vor sich hin vegetierten; ab und an der gellende Schrei eines Folteropfers – so sah die Heilige Römische Kirche hinter ihrer Fassade aus Gold, Brokat und Weihrauch wirklich aus. Denn dies hier waren die Katakomben der Heiligen Inquisition.
    Wie sich wohl Theseus gefühlt hatte, als er in das Labyrinth hinab gestiegen war, um das Monster zu erschlagen? Ein bisschen konnte sich Christopher in den Mann hineinversetzen. Auch hier lauerte die Gefahr an jeder Ecke. Denn dies war Rom, und Rom blieb Rom. Selbst anderthalb Jahrtausende nach dem Fall des Römischen Reichs war die Stadt durchsetzt von Ränke und Intrige. Ein Spiel für die gelangweilten Potentaten der Kirche, die von ihrem ungeheuren Reichtum längst satt und stumpf geworden waren. Ein Spiel, das selbst die Mächtigsten stürzen und neue Emporkömmlinge ins Licht rücken konnte. Ein Spiel, in dem Gewalt und Verrat so alltäglich waren wie in der Unterwelt mancher gefallenen Großstadt.
    Christopher war jedes Mal froh, wenn er Rom hinter sich lassen konnte. Er hasste die Arroganz, die Rücksichtslosigkeit, die Besessenheitder Mächtigen. Denn besessen waren sie alle: die meisten von Macht und Reichtum, viele von perversen Lüsten, einige von Drogen. Eines machte sie gefährlicher als das andere.
    Trotz alledem war die Inquisition ein gut organisierter, effektiver Apparat. Von hier aus wurden mehr als zweihundert Inquisitoren gesteuert, mehr als tausend Agenten und weiß Gott wie viele Spione. Hier liefen die Fäden zusammen, hier war das Zentrum des Spinnennetzes. Nicht viele Geheimdienste arbeiteten besser als die Inquisition. Und keiner davon beschäftigte sich mit dem Übernatürlichen.
    Wie alles andere hatten auch die Katakomben hatten einen rationalen, tieferen Sinn. Es war der erste psychologische Angriff auf die Menschen, die von der Inquisition verhört wurden. Es war ein Versprechen: Wer nicht gestand, wer nicht kooperierte, wer seine Informationen nicht preisgab, würde
hier
enden, in einer Existenz, die nur noch dazu diente, Schmerz und Leid zu ertragen. Allein der Anblick der ausgestellten Opfer war für viele Gefangene bereits genug Anreiz, alle Geheimnisse zu offenbaren und mit den Inquisitoren zu kooperieren. Für alle anderen war der Besuch hier der Beginn einer langen, schmerzerfüllten Reise.
    Und auch den Mitarbeitern waren die Katakomben eine Warnung, eine Erinnerung an das Erste Gebot der Inquisition: Du sollst die Kirche nicht verraten! Denn wer es doch tat, endete für gewöhnlich hier …
    Die eigentlichen Arbeitsräume der Inquisition lagen zwar ebenfalls unterirdisch, doch das war auch schon die einzige Gemeinsamkeit. Hier gab es Teppichböden, Ventilatoren, Namensschilder, Überwachungskameras und Haussicherheit, Telefone, Fernseher, Diaprojektoren und Computer, nicht anders als in einer Konzernzentrale. Dies war auch ein gerne verwendetes Codewort für die Inquisition: Der
Konzern

    Christopher erreichte den Arbeitstrakt des Kardinals, wo zwei Wachmänner vor einer breiten Tür aus poliertem Mahagoni den Weg versperrten. Sie trugen Anzüge und Headsets, stets über Funk mit ihren Kollegen verbunden, und waren mit Uzi-Maschinenpistolen bewaffnet. Sie hatten ihn längst bemerkt und mit ihren Blicken durchbohrt. Er wusste, dass sie ihn erkannt hatten, sonst hätten sie bereits die MPisin Anschlag gebracht. So aber ließen sie ihn passieren, ohne sich länger mit ihm aufzuhalten.
    Christopher war das nur recht – je schneller er die Sache hinter sich brachte, desto schneller konnte er Rom wieder verlassen. Er trat an den beiden Wachen vorbei in den Korridor und aktivierte die Ruftaste vor der Tür zum Vorzimmer des Kardinals. Das grüne Licht darüber brannte sofort, offenbar hatten die Wächter Mathäus bereits über seine Ankunft informiert. Er trat ein.
    Die beiden Agenten aus dem Vorzimmer glichen sich wie ein Ei dem anderen. Beide trugen weiße Hemden mit Schweißflecken unter den Achseln und dicke Pistolen in Schulterhalftern, ihr Haar war militärisch kurz geschnitten, ihre Gesichter glatt rasiert. Man sagte den beiden Zwillingen eine große Zukunft voraus, wenn sie ihre ersten Missionen bekamen, doch Christopher hielt sie für zu phantasielos für den Außendienst.
    »Inquisitor Christopher«, meldete er, »zurück aus Norwegen und
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