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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd
Autoren: Ernst Vlcek
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Deddeth fieberte mit jedem Stäubchen seines Schattenkörpers dem großen Augenblick entgegen.
    *
    Mythor war von zarten Mädchenhänden gelabt worden. Man hatte ihm zu essen und zu trinken gegeben, und jetzt fühlte er sich wieder frisch und gestärkt.
    »Danke. Danke für alles, Ra-Mina«, sagte er zu dem Rafher-Mädchen, dessen weiche und doch kräftige Finger wie Schmeichelgeister über seinen Körper wanderten. Als sie seine Brust erreichten, hielten sie jedoch inne. »Was hast du?«
    »Ich weiß nicht…«
    Als Mythor die Augen öffnete, sah er im Schein der Öllampe, dass Ra-Mina sich versteift hatte. Sie war schön, obwohl ihr Gesicht durch Bemalung gespalten war – oder vielleicht gerade deswegen; Mythor war sich da nicht sicher. Jetzt schwebten ihre Hände unentschlossen über seiner Brust, die Finger zitterten.
    »Irgend etwas ist an dir, was mich wegstößt«, sagte das Mädchen. »Was mir nicht erlaubt, mich deinem Herzen zu nähern. Kann es sein, dass es die Macht der Liebe ist?«
    »Vielleicht«, sagte Mythor versonnen. Er überlegte sich, ob er Ra-Mina von Fronja erzählen sollte, dessen Bildnis er unsichtbar über dem Herzen trug.
    Aber da erklangen Schritte, und das Mädchen zog sich schnell in den anderen Raum zurück. Mythor richtete sich auf und erblickte No-Ango, der gerade eintrat.
    »Es freut mich, dass du wieder wohlauf bist«, sagte der junge Rafher und ließ sich neben Mythor auf dem Rand des Beilagers nieder. »Jetzt kannst du wieder auf eigenen Beinen stehen und wirst unserer Betreuung nicht mehr bedürfen.«
    Mythor stellte fest, dass No-Angos Gesicht eine andere Bemalung aufwies, als er sie in Erinnerung hatte. Von Ra-Mina wusste er, dass die Rafher ihre Gesichtsspaltungen den Stimmungen anpassten, denen sie gerade unterworfen waren. Im Kampf trugen sie eine andere Bemalung als zu Zeiten der Trauer.
    »Wie heißt deine Gesichtsspaltung?« erkundigte sich Mythor.
    »Abschied.«
    »Dann ist es wahr«, stieß Mythor hervor. »Ich habe nicht nur geträumt, dass dein Volk sich dazu entschlossen hat, den Endgültigen Weg zu gehen. Aber warum, No-Ango? Welchen Grund haben die Rafher, gemeinsam in den Tod zu gehen? Das ist so unsinnig, dass ich keine Worte dafür finde.«
    »O nein, es steckt ein tieferer Sinn dahinter«, antwortete No-Ango ruhig. »Und es verhält sich ganz anders, als du denkst.«
    »Dann erkläre es mir.«
    »Dazu bin ich nicht berechtigt. Hu-Gona, unser Ältester, wird es dir erklären. Aber bevor es soweit ist, möchte ich mich mit dir über den Deddeth unterhalten, der dich bedroht. Du bist dir darüber im Klaren, dass er dich weiterhin jagen wird… so lange, bis du ihn besiegt hast oder er sein Ziel erreicht hat?«
    »Ich fühle mich nun stark genug, den Kampf gegen ihn aufzunehmen«, sagte Mythor.
    »Weißt du denn genug über die Deddeth, um dich mit einem solchen Schattenwesen einlassen zu können?« fragte No-Ango. Er erwartete offenbar keine Antwort, denn er fuhr fort: »Was weißt du über deinen Deddeth? In welchem Verhältnis stehst du zu ihm? Wie und wodurch ist er entstanden? Und warum hat er ausgerechnet dich als Opfer auserkoren?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand Mythor. »Ich könnte Vermutungen anstellen, aber ich traue mir nicht zu, gültige Antworten zu finden.«
    »Vielleicht kann ich dir helfen«, sagte No-Ango. »Du hast im Schlaf geredet und einiges über dich erzählt. Wir wissen, dass du an sechs Fixpunkten des Lichtboten warst, um dort die Prüfungen abzulegen, die vom Sohn des Kometen verlangt werden. Die Legende ist uns bekannt, und der Glaube an das Vermächtnis des Lichtboten ist ein Teil unseres Lebens. Du hast auch über eine große Schlacht gesprochen, die zwischen den Kämpfern der Lichtwelt und den Dunklen Mächten stattgefunden hat.«
    »Die Schlacht im Hochmoor von Dhuannin«, sagte Mythor bestätigend. »Bald nach diesem Ereignis wurde ich zum erstenmal von diesem Schatten bedroht.«
    »Du erkennst die Zusammenhänge«, sagte No-Ango. »Du weißt inzwischen, dass sich mein Volk sehr viel mit Schattenwesen und den Dämonen allgemein befasst. Vor allem aber widmen sich unsere Weisen dem Studium der Geisterwelten und besonders der Schattenzone. Darum wissen wir genau über die Deddeth Bescheid. Das sind körperlose Wesen, die nur aus Schatten bestehen. Ihre Entstehung ist nicht genau erklärt, aber es ist gewiss, dass sie sich aus Seelen Verstorbener bilden. Man könnte sagen, dass es die Grundvoraussetzung für die Geburt eines Deddeth
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