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Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel
Autoren: Marko Hautala
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wieder ins Bett.
    »Es ist gut, dass wir zusammen hier sind«, sagte sie.
    Jenni lächelte und berührte Inas Wange. Dabei bewegte sie sich absichtlich langsam, als ob die Muskeln ihr immer noch nicht gehorchten.
    »Ina«, flüsterte Jenni.
    »Ja?«
    »Miro braucht sein Medikament.«
    Inas Lächeln schwächte sich ab.
    »Das glaube ich nicht. Der Herr sorgt für ihn.«
    Jenni schüttelte den Kopf.
    »Ohne das Medikament kann er einen Asthmaanfall kriegen.«
    Ina wirkte plötzlich besorgt.
    »Hat Miro Asthma?«, fragte sie leise. Zerstreut fuhr sie sich mit der Hand über den Mund.
    »Ja. Er hat jetzt tagelang kein Medikament bekommen, und ich habe auch keines mehr im Koffer. Ich wusste ja nicht, dass wir so lange bleiben würden.«
    Ina fingerte an dem dicken grauen Stoff ihres Kragens.
    »Nein, Jenni. Ich glaube, es geht ihm jetzt gut.«
    »Wenn Miro sein Medikament nicht bekommt, kann er bald gar nichts mehr tun. Nicht predigen, überhaupt nichts. Glaub mir, Ina. Bestimmt hast du selbst gehört, wie er hustet. Du erkennst doch einen Asthmahusten.«
    Ina wandte sich ab und ging durch das Zimmer, blieb mit dem Gesicht zum Fenster stehen. Jenni hörte Regentropfen an die Scheibe prasseln.
    »Ich habe keinen Husten gehört«, sagte Ina, doch ihre Stimme klang zerstreut, unsicher.
    »Nicht? Es fing gleich am ersten Tag an. In der Stadt kommt er besser damit zurecht. Deshalb vergesse ich immer, genug Reserve mitzunehmen, wenn wir aufs Land fahren. Die Anfälle sind wirklich schlimm. Du musst ihm helfen, Ina.«
    »Der Herr sorgt für ihn«, wiederholte Ina, diesmal leiser.
    »Das tut er bestimmt, mit Hilfe des Medikaments«, flüsterte Jenni.
    »Ich muss Miro um zehn zur Kirche bringen und …«
    »Das schaffst du schon. Ich schreibe dir den Namen von dem Medikament auf und du holst es auf dem Festland.«
    Ina starrte zum Fenster hinaus, zupfte an ihrem Kragen, biss sich auf die Lippen.
    »Überleg doch mal, Ina. Was ist, wenn Miro bettlägerig wird? So wie Markus?«
    Ina wandte sich vom Fenster ab.
    »Ich muss darüber nachdenken«, sagte sie und ging.
    Die Dielenbretter knarrten auf der Treppe, dann im Erdgeschoss. Jenni hörte, dass Ina mit jemandem sprach.
    Miro antwortete.
    Jennis Herz schlug schneller. Sie legte das Ohr an die Wand neben ihrem Bett und hielt den Atem an. Die Worte konnte sie nicht verstehen, doch Miros Stimme klang genervt. Jenni wusste sofort, dass er einen seiner schlimmen Tage hatte. Dann war ihm nichts recht, und selbst die einfachsten Verrichtungen gingen nicht ohne Brüllen und Toben vonstatten.
    Dann war eine dritte, beruhigende Stimme zu hören. Die einer alten Frau.
    Das Gespräch dauerte etwa eine Viertelstunde, dannkam Ina zurück. Sie hatte sich umgezogen, trug eine weite Jeans und einen leuchtend roten Anorak. In der einen Hand hielt sie den Autoschlüssel, in der anderen einen Stift und ein Stück Papier.
    Jenni setzte sich auf. Sie überlegte kurz, dann schrieb sie den Namen des Medikaments in Blockschrift und reichte Ina den Zettel.
    »Danke«, sagte Jenni.
    Ina lächelte nervös und steckte den Zettel in die Jackentasche.
    »Hör mal, Jenni«, flüsterte sie mit einem hastigen Blick zur Tür. »Wenn die anderen davon erfahren, könnte es unnötige Verwirrung geben. Die Leute sind außer sich gewesen, seit Markus nicht mehr fähig war … Es wäre nicht gut, wenn sie denken, dass auch Miro …«
    Ach Ina, du Arme , dachte Jenni und unterdrückte den plötzlich aufkommenden hysterischen Lachanfall. Wie sehr du dich davor fürchtest, diese Leute zu enttäuschen.
    »Keine Sorge«, sagte sie. »Wenn das Medikament hier ist, kümmere ich mich um den Rest.«
    Ina seufzte und starrte auf den Fußboden.
    »Ich habe Agneta gebeten, aufzupassen, dass dir nichts fehlt«, sagte sie dann. »Ihr seid euch offenbar schon begegnet, beim Gebetsgrab. Sie ist wirklich gutherzig. Sie kümmert sich um euch, während ich weg bin.«
    Jenni nickte.
    »Agneta ist auch … eine wahre Gläubige«, sagte Ina und sah ihr in die Augen. »Ich habe ihr gesagt, ich hätte etwas zu erledigen. Ich muss mich beeilen, denn für uns ist heute ein wichtiger Tag.«
    »Ich verstehe«, flüsterte Jenni und legte einen Finger auf die Lippen.
    »Gut.«
    Ina drehte sich um und ging.
    Jenni blieb im Bett liegen, bis sie hörte, wie der Motor angelassen wurde. Dann stand sie vorsichtig auf. Das Zimmer schwankte ein paar Sekunden, doch dann fand Jenni das Gleichgewicht wieder. Mit drei Schritten war sie am Fenster und sah die
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