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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz
Autoren: Ulrike Bliefert
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schleunigst hier weg! Wenn ich so tu, als ob ich brav esse und die Psycho-Smarties schlucke, darf ich vielleicht wieder in den Garten. Und dann muss ich abhauen. Irgendwas wird mir schon einfallen.
    Ich kann einfach niemandem mehr trauen, verstehst Du? Hier in der Klinik nicht und zu Hause erst recht nicht. Alle haben mich belogen! Seit Jahren! Sogar Nico! Der tolle »große Bruder«! »Ich pass auf dich auf, Schwesterchen«, hat er immer gesagt. Viel ist davon nicht übrig geblieben. Aber vielleicht meint er sogar, er tut mir ’n Gefallen damit, mich zu belügen. Oder mein sogenannter Vater steckt dahinter. Nico hat schon immer nach seiner Pfeife getanzt; besonders, wenn er gerade mal wieder pleite war und sein Papa ihm aus der Patsche helfen musste.
    Malin versuchte vergeblich, das aufsteigende Schluchzen in ihrer Kehle zu unterdrücken. Sie hatte ihren Stiefbruder in den letzten fünf Jahren nur selten gesehen: Er war vierzehn Jahre älter als sie und wohnte in der Nähe von Köln. Aber wann immer er nach Hause gekommen war – damals, als sie noch ein kleines Mädchen war –, hatte sie ihn maßlos bewundert: Er fuhr Autorennen und einmal war er sogar vorne auf einer Motorzeitschrift abgebildet gewesen.
    Nico muss doch über das alles Bescheid wissen; er war damals schließlich schon in der Lehre, als meine Mutter …, als Mama …
    Sie unterbrach die Aufnahme und suchte hektisch nach einem Taschentuch. Es dauerte eine Weile, bis sie sich so weit gefangen hatte, dass sie weiterreden konnte.
    Ich muss sie finden. Meine Mutter. Eine Mörderin?
    Wahnsinn, das Ganze…
    Jedenfalls hat sie versucht, jemanden zu töten. Nur wen: Wer war das, dieser angebliche Liebhaber? Warum hat sie so was Schreckliches getan? Was ist mit ihr passiert, dass sie dazu fähig gewesen ist, jemanden umzubringen?
    Und wieso hat Helmut Gräther mich adoptiert? Wieso hat man mich überhaupt adoptiert? Ist das normal, wenn Mütter lebenslänglich ins Gefängnis kommen?
    Nico muss das alles wissen! Aber wie kann ich ihm trauen, nachdem er all die Jahre nichts gesagt hat? Er lügt mir doch sowieso eiskalt ins Gesicht, wenn sein Vater das von ihm verlangt.
    Dakota, ich muss hier raus! Und ich muss mit der Frau, die meine Mutter ist, reden!
    Zwei Tage später hielt sie eine Fotokopie in Händen: Der Zeitungsartikel über die Urteilsverkündung war beinahe unleserlich und das Bild der Angeklagten war kaum noch zu erkennen, aber Anatol bestätigte, was der Azubi draußen vor dem Fenster gesagt hatte: »Sie sieht dir wirklich wahnsinnig ähnlich.«
    Die beiden saßen unter dem Bluna-Sonnenschirm hinten im Park. Es war Wochenende und es regnete in Strömen; das Klinikgelände wirkte wie ausgestorben.
    Malin steckte die Fotokopie unter ihr Sweatshirt. Sie wollte den Artikel über ihre Mutter in Ruhe lesen. Allein. Allein mit sich und Dakota.
    Flüchtig drückte sie Anatols Hand. »Danke. Du bist ein Engel«, murmelte sie. »Wie hast ’n du das geschafft?«
    Â»Frau Mühlbeck abzulenken? Das war kein Problem. Wegen der Blüten.«
    Â»Aha …?« Malin hatte sich bereits daran gewöhnt, dass Anatol das, was er sagen wollte, mitunter in drastisch verkürzter Form ausdrückte. Aber ein Zusammenhang zwischen der kettenrauchenden Hilde Mühlbeck und irgendwelchen Blüten erschien ihr dann doch ein bisschen weit hergeholt.
    Â»Blüten im Sinne von gefälschten Banknoten? Oder was?«, fragte sie und amüsierte sich königlich bei der Vorstellung, dass dieses wandelnde Klischee einer Sekretärin heimlich auf dem hauseigenen Fotokopierer Hundert-Euro-Scheine herstellte.
    Anatol verzog keine Miene. Erschrocken stellte Malin fest, dass seine Hände zu zittern begannen.
    Ich vergess immer wieder, dass … Dass es ihm nicht gut geht. Er redet doch normalerweise mit niemandem. Es muss ihn enorme Überwindung gekostet haben, einfach da rein zumarschieren.
    Â»Rosenblüten!«, erklärte Anatol, nachdem er sich wieder einigermaßen im Griff hatte. »Die müssen abgeschnitten werden, bevor man die Rosenstöcke einpflanzt.«
    Â»Okay. Und dann bist du ins Sekretariat und hast gesagt: Hier haben Sie ’n paar schöne Blümchen und dafür lassen Sie mich mal eben in die Akte von Malin Kowalski gucken?«
    Â»Ich bin zwar verrückt, aber nicht blöde.«
    Malin kicherte. »Na komm, spann
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