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SchattenHaut

SchattenHaut

Titel: SchattenHaut
Autoren: Nané Lénard
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am Gartentor und wedelte. Sie hatten eigentlich nichts auszustehen, denn es gab Moni. Moni Kahlert war seine Nachbarin. Anfang 60, sehr sportlich und tiervernarrt. Ihr ultrakurzer Haarschnitt ließ die zierliche Frau zehn Jahre jünger aussehen. Moni war die Einzige, die ohne Furcht Stall, Hof und Haus betreten konnte. Die Tiere liebten sie. Manchmal hatte er den Eindruck, dass sie auch heimlich Staub wischte, doch er stellte ihr diese Frage nie. Im dämmernden Tageslicht kam es ihm heute so vor, als ob er besser durch die Fensterscheiben sehen konnte. Doch auch das würde ein offenes Geheimnis zwischen den beiden bleiben. Es war gut, dass es Menschen wie Moni gab. Hetzer wusste das zu schätzen und lud sie ab und zu zum Essen ein.
    Als er vor dem Kaminofen kniete und die Asche entfernte, strichen die Katerbrüder um seine Beine. Das war das allabendliche Ritual. Sie wussten genau, dass es gleich warm werden würde und machten es sich auf dem Biedermeiersofa bequem.
    Hetzer wartete, bis er sicher sein konnte, dass das Feuer nicht wieder ausgehen würde und ging in die Küche. Die Kartoffeln waren schnell geschält, halbiert, mit Öl und Rosmarin bestrichen und nach dem Salzen in den Ofen geschoben. Zwei Scheiben Rinderbraten in einer Rotweinsoße mit Gemüsebindung waren noch vom Sonntag übrig geblieben. Jetzt konnte er sich genüsslich ein Stündchen vor den Kamin legen, bis die Rosmarinkartoffeln fertig waren.
    Emil war schon gefüttert und im Stall, Gaga lag ihm zu Füßen und die Kater schmiegten sich an seine Beine. Das waren fast Abende wie früher. Als sie noch da war. Aber daran wollte er nicht denken, oder doch? Er hatte dazugelernt. Am Anfang hatte er die Leere verdrängt, war viel unterwegs gewesen. Hatte Freunde getroffen oder eingeladen. Nur nicht allein sein mit sich. Mit sich und dem Schmerz. Der Schmerz, dieser unerträgliche, der nicht vorbeiging. Für den es keine Heilung gab.
    In den Monaten, in denen er vom Dienst freigestellt gewesen war, musste er irgendwann begreifen, dass er sich ihm stellen musste, dass er ihn annehmen musste. Es machte keinen Sinn, die Orte zu meiden, an denen er mit ihr glücklich gewesen war. Was nützte es, das Schicksal zu verfluchen. Sie war fort und er musste weiterleben. Ohne sie und doch mit ihr. Mit den Erinnerungen an sie. Mit dem wohligen Gefühl, mit der Liebe, die er fühlte. Manchmal sprach er mit ihr und ahnte, was sie geantwortet hätte. Er war immer noch verbunden mit ihr. Mit niemandem würde er jemals wieder so eins sein. Bei diesen Gedanken und dem beruhigenden Schnurren der Katerbrüder schlief er ein, bis ihn der Backofen mit lautem Piepen weckte. Mühsam stand er auf, reckte sich und ließ das Fleisch auf dem Herd kurz in der Soße warm werden. In diesen Minuten deckte er rasch den Tisch, entkorkte eine Flasche Rotwein und nahm die Rosmarinkartoffeln aus dem Ofen. Hetzers Essbereich war eine wundersame Mischung aus alten Stühlen und einer Bank, die er in Nienstädt zusammengesucht hatte. Etwas aufgearbeitet, neu gepolstert und mit Lederbezügen versehen, sahen sie trotzdem nicht aus wie neu. Zusammen mit dem Tisch schmiegten sie sich in die Ecke des Wohnzimmers, wo die Treppe nach oben führte. Meist saß Hetzer auf der Bank. So hatte er den Raum im Blick und konnte auch von hier das Feuer sehen. Gaga verfolgte Wolf mit Nase und Augen, doch sie wusste, dass sie nichts bekam.
    Man konnte Hetzer ruhigen Gewissens als Gourmet bezeichnen. Während er einen Schluck Rotwein im Mund zergehen, einen weiteren mit dem Rindfleisch melangieren ließ, dachte er an den toten Pfarrer. Es war für ihn so wenig verständlich, warum jemand Interesse daran haben könnte, einen alten Mann zu verstümmeln und dann in die Weser zu stoßen. Die kriminelle Energie des Tathergangs war enorm. Inwieweit das auf die Motive des Täters hindeuten würde, mussten sie herausfinden. Er würde morgen mit der Haushälterin sprechen, ob in der nahen Vergangenheit irgendetwas Außergewöhnliches passiert war oder ob der Pfarrer sich verändert hatte. Er musste auch Mechthild fragen, ob die DNA-Spuren der Kleidung schon ausgewertet waren und ob sich daraus irgendein Hinweis auf den Täter ergab.
    Die Backofenkartoffeln waren vorzüglich. Hetzer bestreute sie ein bisschen mit Fleur de Sel. Dieses besondere Meersalz hatte ein anderes Aroma als herkömmliches Salz. Seine früheren Kollegen hatten immer abgewunken, wenn er so viel Aufheben um sein Essen machte oder gar seinen Tee genau nach
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