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Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Titel: Schattengreifer - Die Zeitenfestung
Autoren: Bastei Lübbe
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Menschen, die dort verstreut am Meer lagen.
    Simon nahm eine kurze Regung wahr. An der Stelle, an der vorhin der junge Schattengreifer verschwunden war, bewegte sich der Sand. Ein kleiner Hügel entstand wie von selbst, der schnell anwuchs und die Form eines Menschen bekam. Schließlich formte sich aus dem Sand der junge Schattengreifer heraus.
    Er weinte.
    Er fiel neben seiner Familie auf die Knie, berührte eines der toten Kinder mit seinen Händen. Dann warf er den Kopf in den Nacken und schrie seine Verzweiflung in die Welt hinaus.
    Und mit diesem Schrei verblasste endgültig die Szene vor Simons Augen. Schnell verschwammen die Farben, sie löstensich auf, und Simon blickte wieder in das Gesicht des geschlagenen Magiers in dem Bett seines Gemachs. Er wirkte weitaus erschöpfter als vorher. Dennoch brachte er die Kraft auf zu sprechen: »Es war einer der frühen Zauber in meinem Leben. Ich hatte meine Kräfte noch nicht unter Kontrolle, doch in diesem Moment hatte ich nur den einen Wunsch, in der Erde zu versinken. Und das gelang mir auch. Aber während ich mich rettete, starb meine Familie um mich herum. Alles ging so schnell, dass ich nicht mehr einschreiten konnte. Gegen die blinde Wut einer Horde Wilder, die für einen kleinen Flecken Erde eine ganze Familie ausgerottet hatte, war ich machtlos gewesen. Und in diesem Moment schwor ich mir … schwor ich mir …« Seine Stimme wurde leiser und leiser. Simon spürte, wie der Magier kaum noch die Kraft aufbrachte zu atmen oder zu sprechen. »… Ich schwor mir, der Menschheit ihre Gewalt zu nehmen. Erst mit meinen Zeitreisen, doch du hast einst ja selbst gesehen, dass mir das nicht gelang. Dann beschloss ich, die Welt zu unterwerfen, um sie vor sich selbst zu schützen.«
    Er atmete tief aus und ließ den Kopf sinken.
    Simon vermutete schon, dass der Magier nun endgültig seiner Erschöpfung erlegen war, doch dann öffnete der Schattengreifer wieder die Augen.
    »Ist es das, was du wissen wolltest? Kannst du mir jetzt helfen?«, fragte er, und seine Augen weiteten sich vor Erstaunen, als Simon nickte.
    »Ich glaube, ich weiß, was zu tun ist«, gab Simon zurück. »Aber vorher müsst Ihr mir einen Wunsch gewähren.«
    Der Schattengreifer nickte kaum sichtbar.
    Simon trat nun noch näher an ihn heran: »Gebt mir Neferti wieder.«
    Der Magier schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht.«
    In Simon stieg erneut Verzweiflung auf. »Doch, Ihr müsst das können. Sie ist durch Eure Hand gestorben. Dann kann sie auch durch Eure Hand zurückkommen!«
    Noch einmal schüttelte der Schattengreifer seinen Kopf. »So weit reicht meine Macht nicht«, sagte er. »Zwei Dingen bin ich nicht gewachsen: wahren Gefühlen und dem Tod. Es …« Er suchte Simons Hand. »Es tut mir leid für dich. Und für Neferti!«
    Simon stieß die Hand so heftig von sich, dass der Schattengreifer vor Schmerz aufschrie.
    »Das akzeptiere ich nicht!«, schrie er den Magier an. »Gebt sie mir zurück!«
    Der Schattengreifer sah ihn nur hilflos an.
    Simon rannen Tränen über die Wangen. »Gebt mir Neferti wieder! Sie hat keine Katzenleben mehr in sich. Und Ihr habt sie mir genommen. Ihr …«
    Unbändige Wut stieg in ihm auf. Es war ihm danach, mit den Fäusten auszuholen und auf diesen sterbenden Mann einzuschlagen.
    »Gebt sie mir wieder!«, schrie er erneut, doch dann ließ er die Hände sinken. Der Schattengreifer lag mit geschlossenen Augen vor ihm und rang leise röchelnd um Atem. Simon wurde bewusst, dass er diesen Kampf verloren hatte.
    Er hieb mit einer Faust auf das Bett des Schattengreifers. »Neferti!«, stieß er verzweifelt hervor. »Warum?«
     
    Niedergeschlagen betrat Simon die Halle, in der seine Freunde noch immer von den Schattengestalten und den Tigern bewacht wurden.
    »Simon!« Nin-Sis Stimme war Erleichterung und Sorge gleichermaßen anzuhören.
    Hinter Simon kam die riesige Krähe stolz in die Halle geflogen. Ein Blick aus ihren Augen genügte, und die Schattengestalten ließen von den Jugendlichen ab. Sie zogen sich zurück, verteilten sich im Raum, suchten die Wände der Halle auf, um sich dann nacheinander dagegenzulehnen und mit der Wand eins zu werden. In nur wenigen Augenblicken war keine einzige Gestalt mehr zu sehen. Sie alle verschwanden in den Nischen und Ecken der Halle.
    Ein zweiter Blick der Krähe ließ die Säbelzahntiger sich von ihren Plätzen in den Pforten erheben und in die Mitte der Halle laufen, wo sie sich wieder niederließen und ihre Blicke nicht von der
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