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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Autoren: Lynn Flewelling
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als zwei Wochen waren verstrichen, seit Alec Prinzessin Klia aus der in Flammen stehenden Kammer unter dem Bergfried der Verräterin Kassarie gerettet hatte. Zwar hatte die Heilmagie der übelriechenden Salben des Drysiers Valerius durchaus Wirkung gezeigt, doch als sie sich heute nacht ankleideten, war Seregil aufgefallen, daß die Haut an den Schultern des Jungen an manchen Stellen immer noch ziemlich dünn schien. Natürlich würde Alec das niemals zugeben und dadurch das Wagnis eingehen, daß Seregil ihn zurückschickte.
    »Ich bin in Ordnung«, beharrte Alec wie erwartet. »Ich höre deine Zähne klappern, nicht meine.« Er beutelte den triefnassen Umhang aus und warf sich ein langes Ende über die Schulter. »Komm weiter. Wenn wir in Bewegung bleiben, wird uns wärmer.«
    Von plötzlicher Sehnsucht gepackt, schaute Seregil zum Eingang der Lichterstraße auf der gegenüberliegenden Seite des Säulenganges. »Dort drüben würde uns noch um einiges wärmer!«
    Monate waren verstrichen, seit er zum letzten Mal eines der noblen Freudenhäuser besucht hatte. Der Gedanke an so viele warme, wohlriechende Betten und so viele warme, wohlriechende Körper ließ die Kälte um so schlimmer erscheinen.
    Alec, der unsichtbar in den Schatten stand, gab zwar keine Antwort, doch Seregil hörte, wie er unbehaglich von einem Bein aufs andere trat. Der Junge war so einsam aufgewachsen, daß er sich in gewissen Dingen als ungewöhnlich rückständig erwies, sogar für einen Dalnaner. Seregil war eine solche Zurückhaltung unbegreiflich, aber aus Achtung vor ihrer Freundschaft verkniff er es sich, den Jungen damit aufzuziehen.
    Die eleganten Prachtstraßen des Oberen Viertels präsentierten sich menschenleer, die großen Häuser und Villen lagen dunkel hinter hohen Gartenmauern. Vom Sturm ausgeblasene, reich verzierte Straßenlaternen schwangen quietschend auf ihren Haken hin und her.
    Das Haus in der Dreijungfernstraße war eine große, verwinkelte, von einer hohen Mauer umgebene Villa. Während Seregil die Dragge hinaufwarf und das Seil sicherte, hielt Alec nach Patrouillen der Blaumäntel Ausschau. Das Tosen des Sturms übertönte die Geräusche, die sie beim Erklimmen und Überklettern der Mauer verursachten. Nachdem Seregil das Seil in einer Gebüschreihe versteckt hatte, schlich er durch die Gärten voraus.
    Nach kurzer Suche fand Alec in einer Wand an der Rückseite des Hauses ein kleines, hoch gelegenes Fenster mit geschlossenen Läden. Er stieg auf eine Regentonne, zwängte den Fensterladen mit einem Messer auf und spähte hinein.
    »Sieht nach einem Lagerraum aus«, flüsterte er.
    »Na dann los. Ich bin unmittelbar hinter dir.«
    Alec kletterte mit den Füßen voraus hinein und verschwand geräuschlos im Inneren des Gemäuers.
    Als Seregil ihm folgte, stieg ihm der erdige Geruch von Kartoffeln und Äpfeln in die Nase. Er quetschte sich durch die Öffnung und landete auf etwas, das sich wie Zwiebelsäcke anfühlte. Dann streckte er die Hand aus, fand in der Dunkelheit Alecs Schulter, und gemeinsam ertasteten sie sich den Weg zur Tür. Seregil hob den Riegel an und lugte hinaus in die geräumige Küche.
    Die glühenden Kohlen im Herd spendeten genug Licht, um zwei Bedienstete zu bemerken, die auf Pritschen schliefen. Lautes Schnarchen drang aus einer schattigen Ecke ganz in der Nähe. Rechterhand befand sich ein offener Bogen. Seregil klopfte Alec auf den Arm und schlich auf Zehenspitzen darauf zu.
    Der Bogen führte zu einem Bedienstetengang. Nachdem sie eine schmale Treppe erklommen hatten, stahlen sie sich auf der Suche nach Lord Decians Arbeitsräumen durch mehrere Korridore. Als sie nicht fündig wurden, begaben sie sich ins nächste Stockwerk und gingen das Wagnis ein, abgeschirmte Lichtsteine hervorzuholen.
    Im fahlen Schimmer der Steine sahen sie, daß die Adeligen des Hauses die Schuhe vor den Schlafzimmertüren abstellten, auf daß ein Bediensteter sie einsammelte und putzte. Seregil stupste Alec und bedeutete ihm mit einem Zeichen, daß ihnen das Glück hold war. Der Herr des Hauses hatte nur eine Tochter; es sollte keine Schwierigkeit darstellen, das Schuhwerk einer fünfzehnjährigen Maid zu erkennen.
    Vor einer Tür am fernen Ende des Ganges stand ein Paar zierlicher Stiefel. Ein Paar breiter Schuhe daneben verriet den beiden, daß die junge Frau nicht allein schlief.
    Seregil unterdrückte ein Grinsen. Alec stand mehr bevor, als er erwartet hatte, in mehrerlei Hinsicht.
     
    Behutsam probierte Alec den Riegel
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