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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Autoren: Lynn Flewelling
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höhnisch.
    »Vielleicht nicht«, unterbrach ihn Urvay, »aber diese Schlampe zählt den Magier Nysander zu ihren Liebhabern.«
    »Nysander í Azusthra?« Anerkennend nickte Mardus. »Urvay, du hast dich selbst übertroffen. Aber was hast du diesem Schauspieler erzählt?«
    »Für ihn bin ich Meister Gorodin, ein großer Bewunderer seiner Kunst und zudem sehr verständnisvoll, was die Bedeutung eines Schirmherrn für einen jungen, aufstrebenden Schauspieler und für einen gewissen Dramendichter angeht, der bereit ist, ihm Rollen auf den Leib zu schreiben. Als Gegenleistung vertraut mir mein neuer Freund Pelion selbst das leiseste Gerücht an, das er in der Stadt aufschnappt. Er ist mit der Abmachung rundum zufrieden und klug genug, nicht viele Fragen zu stellen. Solange das Gold fließt, gehört er uns.«
    »Gut gemacht, Urvay. Zeig dich ihm gegenüber großzügig. Wir müssen noch vor dem Frühjahr in den Kreis der Orëska eindringen. Hast du verstanden? Es muß uns gelingen.«
    »Ich habe verstanden, Herr. Soll ich für Euch Vorkehrungen in Rhíminee treffen?«
    »Nein. Es gibt keine Vorkehrungen zu treffen. Ich melde mich bei dir, sobald ich dich brauche. Bis dahin behältst du Pelion und seine Hexerin im Auge.«
    Urvay erhob und verbeugte sich. »Das werde ich, Herr. Gehabt Euch wohl.«
     
    Nachdem er gegangen war, wandte sich Mardus wieder seinem unterbrochenen Mahl zu. Vargûl Ashnazai hingegen stellte fest, daß ihm der Appetit abhanden gekommen war.
    Die Orëska, dachte er verbittert, während er das Elfenbeinfläschchen betastete, das er an einer Kette um den Hals trug. Dorthin waren sie gegangen, die Diebe, die ihm das Auge unter der Nase weggestohlen hatten.
    In jener Nacht in Wolde hätte Mardus ihn beinahe getötet. Schlimmer noch, er hatte gedroht, den Totenbeschwörer von der Suche auszuschließen. Hätte Mardus die Scheiben von vornherein ihm anvertraut, wäre all das natürlich nie geschehen, doch es lohnte sich nicht, diese Ansicht kundzutun. Nicht, wenn ihm daran lag, nicht schon beim zweiten Wort zu sterben.
    Seither hatte sich das Verhältnis zu Mardus stetig verschlechtert. Sogar mit Hilfe des Auges selbst war es ihm unmöglich gewesen, genug Macht auszuüben, um die Flüchtigen aufzuhalten. Der Aurënfaie hatte sich als entnervend gefeit gegen seine Magie erwiesen, und als ihn der Dra’gorgos in der Schenke endlich überwältigte, schlug ihnen der Junge, dieser verflixte Junge ein Schnippchen, indem er seinen Freund fortschaffte, ehe Mardus und seine Männer dort eintrafen.
    Mit dem Fläschchen in den Fingern rief sich Vargûl Ashnazai die kostbaren, blutgetränkten Holzsplitter darin ins Gedächtnis, die er aus dem Fußboden der mycenischen Schenke geschabt hatte, in der sein Dra’gorgos die beiden gestellt hatte.
    Der Talisman, den er aus ihrem Blut geschaffen hatte, erwies sich als mächtiges Geleit, so mächtig, daß er sie bei Keston beinahe erwischt hätte. Doch dann entkamen sie über das Meer, und eine andere Macht senkte sich über sie und ließ die seine abprallen. Vargûl hatte den Widerhall dieser Magie auf der Stelle erkannt. Orëska-Magie.
    Deshalb waren Mardus und seine Männer ihren Spuren auf durch und durch gewöhnliche Weise gefolgt, während er, ein Totenbeschwörer höchsten Ranges, sie gleich einem nutzlosen Gepäckstück begleitete.
    Mardus zeigte sich zuversichtlich. Sie wußten bereits, wohin die Diebe geflohen waren, und auch das verdankten sie Mardus’ kaltblütigen Mitteln, anstatt Vargûls Magie. Einer der Süßwassermatrosen, die sie nach der Zerstörung der Pfeil – zumindest dafür zeichnete Vargûl verantwortlich – gefangengenommen hatten, brüllte mit dem letzten Atemzug heraus, was sie wissen mußten.
    Es trieb ihn fast zum Wahnsinn, nun tatenlos hier herumzusitzen, kaum zwei Tagesritte von der Hochburg seiner Feinde entfernt.
    So nah! dachte er und schloß die Faust um das Fläschchen.
    Mardus beobachtete ihn dabei und erriet die Gedanken des Totenbeschwörers. »Warum spähst du nicht wieder einmal nach ihnen?«
    Unbehaglich rutschte Vargûl Ashnazai auf dem Stuhl hin und her. »Seit Wochen kommt immer dasselbe dabei heraus.«
    Mardus schaute ihn an, fast so wie irgend jemand einen anderen anschauen mochte, der gerade etwas gelinde Überraschendes von sich gab. Aber Mardus war nicht irgend jemand. Als ihre Blicke sich trafen, spürte der Totenbeschwörer Furcht in sich aufflammen. Es war nicht Wahnsinn, den er in den Augen seines Gegenübers erblickte
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