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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Autoren: Lynn Flewelling
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ihre Grenzen hatte. Er legte seine Lumpen ab, wusch sich flüchtig und wickelte sich dann das Tuch um die Hüfte.
    Als er sich nach vorne beugte, um den Kopf ins Wasser zu tauchen, ließ ihn sein eigenes Abbild im Wasserspiegel, das ihn zitternd zwischen den Steinen kauernd zeigte, erstarren.
    Am Tag zuvor erst war er von Asengais Folterknechten auf ein Brett geschnallt und immer und immer wieder unter Wasser getaucht worden, bis er glaubte, seine Lungen würden platzen. Für den Augenblick hatte er genug vom Wasser, besten Dank.
     
    Seregil erlaubte sich ein heimliches, trockenes Lächeln, als er die flüchtige Waschung des Jungen beobachtete. Die Bewohner des Nordens schienen im Winter eine gewisse Abneigung dem Wasser gegenüber zu entwickeln. Er öffnete seinen Lederbeutel und holte Hemd, Beinkleider und einen Gürtel heraus.
    Alec eilte ans Feuer zurück, und Seregil warf ihm die Kleider zu. »Das sollte dir passen. Wir sind etwa gleich groß.«
    »Danke.«
    Zitternd zog sich Alec einige Schritte zurück, ehe er das Tuch ablegte.
    »Wie ich sehe, haben Asengais Knechte ganze Arbeit geleistet«, meinte Seregil, während er die Schürfungen und Schwellungen auf dem Rücken des Jungen betrachtete.
    »Bei Dalnas Händen, hast du denn keinen Anstand«, brummte Alec, als er in die Hose schlüpfte.
    »Daran hatte ich noch nie Bedarf; und ich verstehe nicht, warum dir das so wichtig erscheint. Abgesehen von den Kratzern und dem finsteren Gesicht bietest du doch einen recht erfreulichen Anblick.« In Seregils Gesicht war weiter nichts zu lesen, als der abschätzende Blick eines Mannes, der sich ein Pferd betrachtet, das er zu kaufen gedenkt.
    Die Natur hatte es wirklich gut gemeint mit dem Jungen, dachte Seregil und amüsierte sich dabei über das Unbehagen seines Gefährten. Der Junge war schlank und geschmeidig, mit dunklen, intelligent dreinblickenden, blauen Augen in einem offenen Gesicht, das leicht errötete und wenig zu verbergen vermochte. Letzteres würde sich leicht beheben lassen, obwohl von Zeit zu Zeit ein ehrliches Gesicht durchaus von Vorteil war. Das struppige, honigfarbene Haar sah aus, als wäre es mit einem Jagdmesser geschnitten worden, aber auch das konnte man ändern.
    Aber nicht nur Alecs Äußeres erregte seine Aufmerksamkeit. Der Junge war geschickt und hatte einen wachen Verstand. Und er stellte Fragen.
    Alec hatte sich fertig angezogen und wollte die Münze, mit der Seregil ihn bezahlt hatte, in eine Tasche an dem geborgten Gürtel stecken.
    »Warte. Schau«, sagte Seregil und holte eine weitere solche Münze aus seinem Beutel. Er balancierte sie auf dem Handrücken, machte eine blitzschnelle Bewegung aus dem Handgelenk, zog die Hand zurück und fing die Münze, ehe sie auch nur eine Handbreit gefallen war. »Möchtest du das versuchen?«
    Der Trick verwirrte und begeisterte Alec gleichermaßen. Er versuchte das Kunststück selbst. Beim ersten Versuch fiel die Münze zu Boden. Beim zweiten und dritten Mal streifte sie die Fingerspitzen. Beim vierten Versuch jedoch fing er sie fast so rasch wie Seregil.
    Sein Gefährte nickte anerkennend. »Nicht schlecht, versuch es jetzt mit deiner Linken.«
    Als Alec das Kunststück mit beiden Händen beherrschte, ließ Seregil ihn dasselbe nur mit Daumen und Zeigefinger versuchen, und schließlich alles noch einmal mit geschlossenen Augen.
    »Das ist alles zu einfach für dich«, sagte er schließlich. »Hier, versuch jetzt das.«
    Er legte die Münze auf den Boden, ließ seine Hand daneben ruhen, etwa zwei Finger entfernt. Mit einer geschickten Drehung seines kleinen Fingers ließ er die Münze unter seiner Hand verschwinden, ohne auch nur eine Spur auf dem losen Sand zu hinterlassen. Als er die Hand hob, war die Münze verschwunden. Mit großer Geste und verschmitztem Lächeln holte er sie aus seinem Hemdsärmel und verriet auf diese Weise seinen Trick. Alec probierte es und beherrschte den Trick schon nach wenigen Versuchen.
    »Mit Händen wie den deinen bist du der geborene Dieb«, stellte Seregil fest. »Vielleicht sollte ich dir zunächst keine anderen Kunststücke zeigen.«
    Trotz des fragwürdigen Kompliments erwiderte Alec das Lächeln, als er ein letztes Mal die Münze in seinem Ärmel verschwinden ließ.
    Hastig aßen sie. Danach verwischten sie die Spuren ihrer Anwesenheit, indem sie das Feuer vergruben und die Abfälle in den Teich warfen. Seregil fragte sich erneut, wieviel er bisher von dem Jungen kennengelernt hatte und was er mit ihm
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