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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Autoren: Lynn Flewelling
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Dem erschöpften Alec war diese Reise wie eine Aneinanderreihung geradezu unüberwindbarer Schwierigkeiten erschienen, Dickichte, Flußläufe und ein Geröllfeld, das sie zu Fuß überquert hatten. Unbeirrt war Rolan weitergezogen und hatte Alec angetrieben, indem er ihm heißes Essen und warme Decken versprach. Als sie die Lichtung erreicht hatten, war Alec völlig erschöpft auf dem Lager aus Farn, das bereits unter einer dicken Fichte gerichtet war, zusammengebrochen.
    Das letzte, an das er sich erinnerte, war Rolan gewesen, der die Kälte verflucht hatte, ehe er zu Alec unter die Decken gekrochen kam.
    Auch jetzt war es trotz der strahlenden Sonne bitter kalt. Längliche Eiskristalle, die der Frost gezaubert hatte, ragten aus dem moosigen Lehmboden wie kleine Glasklingen. Gestreifte Riffelwolken bedeckten den dunstigen Himmel. Bald würde der erste Schnee des Jahres fallen.
    Der Klang eines kleinen Wasserfalls nahe ihrem Lager hatte Alec bis in die Träume begleitet. Er zog sich den gestohlenen Umhang über die Schultern und ging zum Unterholz, um seine Blase zu erleichtern, dann begab er sich an den kleinen Teich am Fuße des Wasserfalls. Jeder Kratzer und jede Schwellung begehrte auf, als er eine Handvoll des eisigen Wassers schöpfte, aber er war viel zu erleichtert, um sich daran zu stören; er war am Leben und er war frei! Wer auch immer dieser Rolan Silberblatt war, ihm verdankte er dieses neue Leben.
    Aber wo war er?
    Auf der anderen Seite des Tümpels raschelten Blätter, als ein Reh aus den Bäumen zum Trinken ans Wasser kam. Alecs Finger verlangte es danach, eine Bogensehne zu spannen.
    »Der Schöpfer erhalte dich fett, bis wir uns wieder begegnen!« flüsterte er. Erschrocken sprang das Tier auf schlanken Beinen davon, und Alec machte sich auf den Weg, um etwas Eßbares aufzustöbern.
    Der Wald war alt. Hoch aufragende Fichten hatten längst fast alles Leben zu ihren Füßen erstickt, und man konnte hier gewiß problemlos einen Wagen zwischen den dicken, hohen Stämmen lenken. Das Sonnenlicht, das durch den Baldachin aus dicht miteinander verbundenen Ästen fiel wie durch einen Filter, tauchte die Welt darunter in zartgrünes Licht. Von Moos überwucherte Steine übersäten das leicht ansteigende Gelände. Trockene Farnbüschel dazwischen raschelten, als er vorbeiging. Er fand noch ein paar Pilze, die er abbrach und von denen er naschte, während er weiterzog.
    Hinter einem großen Felsbrocken fand er ein totes Kaninchen in einer Schlinge. Er hoffte, daß Rolan die Schlinge gelegt hatte, befreite die Beute und roch daran. Es war frisch. Die Aussicht auf eine warme Mahlzeit ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen, und er eilte zum Lager zurück. Als er sich der Lichtung näherte, hörte er, wie Feuerstein gegen Stahl geschlagen wurde, und er beeilte sich, Rolan ihr Frühstück zu zeigen.
    Er trat aus dem Schutz der Bäume und erstarrte vor Schreck.
    Oh, Dalna, sie haben uns gefunden!
    Ein Fremder in grob gewebtem Gewand stand mit dem Rücken zu ihm und blickte auf den Teich. Das grüne Hemd aus handgewebtem Stoff und die ledernen Beinkleider wirkten eher unauffällig, der lange Degen jedoch, der von seiner linken Hüfte hing, beunruhigte den Jungen.
    Sein erster Gedanke war, sich wieder in den Schutz der Bäume zurückzuziehen und nach Rolan zu suchen. Als er sich jedoch vorsichtig zurücktastete, trat er mit dem Absatz auf einen trockenen Zweig. Das Knacken veranlaßte den Mann, mit gezogener Waffe herumzuwirbeln.
    Alec ließ das Kaninchen und die Pilze fallen und wandte sich blitzschnell zur Flucht. Eine vertraute Stimme ließ ihn innehalten.
    »Es ist alles in Ordnung. Ich bin es, Rolan.«
    Alec wollte wohl noch immer das Weite suchen, wagte aber einen vorsichtigen Blick und bemerkte seinen Irrtum. Dort stand tatsächlich Rolan, jedoch hatte er nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem geckenhaften Stutzer, für den er sich am vergangenen Abend ausgegeben hatte.
    »Guten Morgen«, rief er ihm zu. »Heb lieber das Kaninchen wieder auf! Ich habe auch nur eines, und ich bin am Verhungern!«
    Das Blut schoß in Alecs Wangen, als er sich hastig bückte und das Kaninchen und die Pilze aufhob und zum Feuer brachte.
    »Ich habe dich nicht erkannt«, sagte er. »Warum siehst du so verändert aus?«
    »Ich habe nur die Kleider gewechselt.« Rolan schob sich das dichte, braune Haar zurück, das ihm nun in feuchten Wellen auf die Schultern hing. »Vermutlich hattest du noch keine Gelegenheit, mich genauer zu
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