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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition)
Autoren: Susanne Seider
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atemberaubender Blick auf die nördlichen Vogesen mit ihren vorgelagerten Weinbergen und Maisfeldern, die aussahen, als wären sie reif zum Ernten. Wissembourg war die erste Stadt hinter der Grenze, als Kind war sie oft mit ihrer Mutter hier gewesen, um Baguette und Käse zu kaufen. Sie fand ohne Probleme den Weg zur Hauptstraße und folgte dort den Hinweisschildern, die sie aus Wissembourg heraus durch einen weiteren kleinen Ort führten, bis sie schließlich das Schild des Dorfes sah, in dem Paula lebte. Obstbaumwiesen und Weinreben vor den Ausläufern der Vogesen, dazwischen eine Handvoll schmucker Fachwerkhäuser mit wuchernden Blumen auf den Fensterbänken und Topfpflanzen in den gepflasterten Höfen. Sie fand das Haus am Ortsrand. Auch hier Fachwerk, aufwendig und edel restauriert, dazu eine gepflegte Rasenfläche mit einer Rutschbahn und zwei Schaukeln. Sie parkte auf der Straße, marschierte zur Tür und drückte hart auf den Klingelknopf. Von innen hörte sie Stimmen und Schritte. Ein ungefähr vierjähriges Mädchen mit verstrubbelten Haaren und blauen Augen öffnete ihr und sah sie an. Sie sah zauberhaft aus.
    »Hallo«, lächelte Billy. »Ist deine Mutter da?«
    Das Mädchen runzelte die Stirn.
    »Mami!«, rief es dann, ohne den Blick von Billy zu wenden, und Billy verzog die Mundwinkel zu einem Grinsen. Mami war der französische Kosename für die Großmutter, was bedeuten konnte, dass Paula noch nicht zu Hause war.
    »Bonjour«, sagte die Frau mit sorgsam geföhntem Pagenschnitt. Sie trug ein Baby im Arm, dessen Gesicht mit einer braunen Pampe beschmiert war, von der Billy hoffte, dass es Brei war.
    »Bonjour.« Sie stockte.
    »Sie können Deutsch reden.« Die Frau wippte das Baby auf ihrer Hüfte.
    »Ich möchte zu Paula.«
    »Paula ist nicht da, ich bin ihre Schwiegermutter.« Sie hatte den typischen elsässischen Dialekt.
    Billy bemühte sich um ein harmloses Lächeln. »Schade. Ich bin eine alte Schulfreundin und nur kurz in der Stadt. Wann kommt Paula zurück?«
    »Dienstags ist Paulas heiliger Wellnesstag.« Die Frau sah auf die Uhr. »Lange kann sie nicht mehr weg sein. Kann ich ihr etwas ausrichten?«
    »Das wäre nett«, meinte Billy, hatte aber dann eine bessere Idee. »Oder wissen Sie, wo sie ist? Ich könnte sie überraschen?«
    »In der Sauna in Landau. Kenne Sie das LaOla-Bad?«
    Billy nickte.
    »Sie können aber auch hier auf sie warten«, sagte die Frau. »Wie gesagt kann es nicht mehr lange dauern. Eine Stunde höchstens.«
    Billy tat, als würde sie überlegen. »Dann lohnt es sich nicht mehr, nach Landau zu fahren, ich komme aber später noch einmal vorbei. Bitte erzählen Sie ihr nichts von meinem Besuch. Es soll eine Überraschung sein.«
    Sie grinste, während sie zu ihrem Auto lief, und sie grinste noch immer, als sie in Wissembourg auf einem harten Messingstuhl Platz nahm, der auf einem engen Gehsteig stand und zu einem Bistro gehörte. Paula war also in der Sauna.
    Sie bestellte einen Milchkaffee und lehnte sich zufrieden zurück. Ein schmaler Bach floss zwischen den dreistöckigen Fachwerkhäusern, und im Sommer musste es hier von Mücken wimmeln, doch jetzt plätscherte das Wasser mit einer angenehmer Ruhe an Billy vorbei. Seit ihrer Jugend hatte sich hier einiges verändert. Noch immer bildeten die alten Häuser einen malerischen Kontrast zu den modernen Schaufenstern mit ihrer liebevollen Dekoration, aber offenbar waren die Fassaden renoviert worden. Das dunkle Fachwerk glänzte in der sinkenden Sonne, als hätte man es gerade geölt, und die gemauerten Zwischenräume waren weiß getüncht. Als der Kellner den Kaffee brachte, bestellte sie spontan einen Picon dazu, ein Bier mit einem Schuss Orangenlikör.
    Paula. Hatte die es nötig, nach all den Jahren die Feindschaft erneut aufzurollen? Billy dachte an das niedliche Mädchen mit den verstrubbelten Haaren. Paula müsste dumm sein, wenn sie sich noch im Hass suhlen würde. Offenbar schien sie alles zu haben, was sie beide sich als Schulmädchen gemeinsam erträumt hatten. Ein schönes Haus, nette Kinder, und bestimmt war auch Paulas Mann ein Prachtexemplar. Billy verzog den Mund, als sie sich dabei ertappte, einen Anflug von Missgunst zu spüren. Sie war nicht etwa neidisch auf Frauen, die mehr Glück gehabt hatten als sie selbst. Es fiel ihr nur noch immer schwer, ausgerechnet Paula etwas Gutes zu gönnen. Doch es ging ihr nur darum, herauszufinden, ob Paula tatsächlich den Tag in der Sauna verbracht hatte.
    Als sie auf
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