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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume
Autoren: Karin Slaughter
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den Schützen abzulen‐
    ken, doch ein Querschläger sauste durch die Luft und zer-fetzte dem Kind den Fuß. Aber Ron wurde nicht langsa‐
    mer, sondern rannte auf dem blutigen Stumpf weiter.
    In Saras Armen brach er zusammen. Als sie ihm das
    T‐Shirt herunterzerrte, fühlte sie das kleine Herz in seiner Brust schlagen wie die Flügel eines Vogels. Sie riss den Baumwollstoff in Streifen und benutzte den Ärmel, um die
    Wunde abzubinden. Mit der anderen Hälfte des T‐Shirts
    band sie die Überreste seines Fußes fest. Sie hoffte, er könnte noch gerettet werden.

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    «Schicken Sie mich nicht da raus», winselte das Kind.
    «Dr. Linton, bitte schicken Sie mich nicht da raus.»
    Sara schlug einen ernsten Ton an. «Ronny. Wir müssen
    gehen.»
    «Bitte nicht!», heulte er.
    Jeffrey schrie: «Sara!»
    Sara drückte den Jungen an sich und wartete auf Jef‐
    freys Zeichen. Als es so weit war, hielt sie Ron fest an sich
    gedrückt und rannte gebückt in Richtung Tür.
    Auf halbem Weg begann der Junge in Panik zu stram‐
    peln und zu treten, er kreischte: «Nein! Nicht! », so laut er konnte.
    Sie hielt ihm den Mund zu und zwang sich weiterzulau‐
    fen, ignorierte den Schmerz, als er ihr in die Hand biss.
    Frank streckte die Arme aus, packte Ron am Hosenbund
    und riss ihn an sich. Als Nächstes wollte er auch Sara holen, doch sie war schon wieder hinter dem Aktenschrank
    und suchte nach weiteren Kindern. Wieder flog eine Kugel
    an ihrem Ohr vorbei. Ohne nachzudenken, robbte sie vor‐
    wärts.
    Zweimal versuchte sie zu zählen, wie viele Kinder Brad
    bei sich hatte, doch der Kugelhagel und das Chaos um sie herum brachten sie jedes Mal durcheinander. Verzweifelt
    suchte sie nach Jeffrey. Er war ungefähr fünf Meter ent‐
    fernt und lud gerade seine Pistole nach. Ihre Blicke trafen sich, als er plötzlich zurück gegen die Tische geschleudert wurde, als hätte er einen Schlag gegen die Schulter bekommen. Eine Pflanze fiel zu Boden, der Blumenzopf zerbarst
    in tausend Scherben. Jeffreys Körper krümmte sich, die
    Beine zuckten heftig, dann war er ruhig. Als Jeffrey am
    Boden lag, schien alles andere stillzustehen. Sara duckte
    sich unter dem nächsten Tisch, es klingelte in ihren Oh‐

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    ren. Im Raum war es plötzlich ganz ruhig bis auf Marias Heulen, ihre Stimme hob und senkte sich wie eine Sirene.
    «O Gott», flüsterte Sara und sah verzweifelt unter den
    Tisch. Vorne am Tresen stand Smith mit einer Waffe in
    jeder Hand und suchte den Raum ab. Der zweite junge
    Mann stand neben ihm und zielte mit einem Sturmge‐
    wehr auf die Eingangstür. Smith trug eine kugelsichere
    Weste unter der Jacke, und Sara sah, dass er noch zwei wei‐
    tere Waffen im Holster hatte. Die Schrotflinte lag auf dem Tresen. Beide Schützen standen ohne Deckung da, doch
    niemand feuerte auf sie. Sara versuchte sich zu erinnern, wer sonst noch da war, aber sie schaffte es nicht zu zählen.
    Etwas regte sich zu ihrer Linken. Wieder fiel ein Schuss, ein Querschläger klirrte und dann stöhnte jemand. Der
    Schrei eines Kindes wurde erstickt. Sara legte sich flach auf den Boden und versuchte, unter die anderen Tische zu
    sehen. In der gegenüberliegenden Ecke hatte Brad die
    Arme ausgebreitet und hielt die Kinder auf dem Boden
    fest. Schluchzend drängten sie sich aneinander.
    Der Polizist, der gegen den Aktenschrank gefallen war,
    versuchte stöhnend die Waffe hochzuheben. Sara er‐
    kannte ihn, es war Barry Fordham, ein Streifenpolizist,
    mit dem sie auf dem letzten Polizeiball getanzt hatte.
    «Waffe weg!», schrie Smith. «Waffe weg!»
    Barry versuchte zu zielen, doch die Hand gehorchte ihm
    nicht mehr. Die Pistole zuckte unkontrolliert herum. Der
    Mann mit dem Sturmgewehr drehte sich langsam um und
    schoss Barry Fordham mit grauenvoller Präzision in den
    Kopf. Sein Hinterkopf schlug gegen den Metallschrank
    und blieb so liegen. Als Sara sich nach dem zweiten Schüt‐
    zen umsah, hatte der sich wieder der Eingangstür zuge‐
    wandt, als wäre nichts gewesen.

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    «Wer noch?», verlangte Smith. «Zeigt euch!»
    Sara hörte hinter sich ein Geräusch. Sie sah nur ein verschwommenes Bild, als einer der Detectives in Jeffreys
    Büro rannte. Ein Kugelhagel folgte ihm. Ein paar Sekun‐
    den später wurde ein Fenster eingeschlagen.
    «Alle bleiben, wo sie sind!», befahl Smith. «Alle blei‐
    ben, wo sie sind!»
    Jetzt schrie ein Kind in Jeffreys Büro, wieder zerbrach
    eine Scheibe. Erstaunlicherweise war das Fenster zwischen
    dem
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