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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen
Autoren: Nora Melling
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Norrock dreht. Wer ist das kleinere Übel? Der fremde Mann oder die wilden Hunde?
    Auf einmal, wie aus dem Nichts, steht Zrrie, das Mädchen Zrrie, neben dem Kind. Dreht sie zu sich um. Hockt sich vor sie hin. «Weißt du, Sabrina, wir sind Freunde von Lotti», sagt sie und streichelt ihre Hand, die sie aus Norrocks Griff befreit hat. «Wir machen uns Sorgen, wegen dem Sturm. Weil Lotti nicht nach Hause gekommen ist. Wir wollen euch nicht verpetzen.»
    Die Kleine sieht Zrrie mit schräggelegtem Kopf an. Wundert sich wohl über das dünne graue Mädchen, das in der farblosen Jacke wohnt wie eine Schildkröte in einem fremden Panzer.
    Zrrie spricht einfach weiter. «Ihr wart am Westhafen?»
    «Hmm», bestätigt die Kleine. Schnieft.
    Zrrie sucht in ihrer Jacke und findet ein Papiertaschentuch.
    «Da, wo die großen Kräne sind?»
    «Nee. Wir dürfen doch nicht so nah zum Wasser.» Sabrina wischt sich die Augen und putzt sich ausführlich die Nase. Thursen, auch plötzlich wieder Mensch, gibt den Wölfen ein Handzeichen. Sie laufen ein paar Meter, halten Abstand und setzen sich. Warten stumm. Norrock lehnt sich neben sie an die Wand. Da taucht Sabrinas Gesicht aus dem Taschentuch wieder auf. «Wir waren in einer Halle», erzählt sie und lässt sich von Zrrie das Taschentuch aus der Hand nehmen. «Wie die Turnhalle in unserer Schule, weißt du? Mit Tonnen drin. Die rollen wir immer. Einen riesigen Berg Tonnen gibt es da. Total hoch. Der sieht aus wie eine Burg.»
    Zrrie nickt. «Und Lotti hatte keine Lust mehr und ist einfach losgelaufen und hat ihr Fahrrad dagelassen. Weißt du, wo sie hinwollte?»
    «Nee.» Sabrina schiebt mit der Fußspitze ein paar herabgewehte Zweige auf den Gehwegplatten hin und her.
    «Habt ihr euch gestritten? Hat sie sich versteckt?»
    Sabrina schüttelt den Kopf und sieht Zrrie mit großen, rotgeweinten Augen an.
    Mir kommt ein Verdacht. «Sie ist gar nicht weg?» Ich packe sie am Ärmel. «Ist Lotti etwa noch dadrin? Ganz allein?»
    «Wir wollten die Tonnen nicht umkippen!», heult Sabrina. «Das ist einfach so gekommen! Und jetzt stinkt es da ganz doll! Da sind wir alle weggerannt.»
    «Und Lotti   –», setzt Zrrie an. Sabrina schüttelt den Kopf und weint noch lauter.
    «Los!», ruft Thursen.
    «Pass auf, Mäuschen!», sagt Zrrie und richtet sich auf. «Du gehst jetzt sofort nach Hause, klar?»
    Sabrina nickt. Dann rennen die Wölfe. Rennen mit Norrock und Thursen voraus.
    Zrrie und ich folgen. «Und sag lieber deiner Mama alles!», ruft Zrrie über die Schulter.
    Hinter der nächsten Ecke warten keine Menschen. Thursen und Norrock sind Wölfe, und auch Zrrie verwandelt sich. Sie traben langsamer, sodass ich Schritt halten kann. Westhafen. Ich weiß, sie folgen jetzt Sabrinas Duft. Kein Grund, weiter nach Lottis Spuren zu suchen. Der Sturm kommt in Böen. Nagelt mich auf einmal wie eine unsichtbare Wand am Fleck fest. Dann, zwei Ecken weiter, schiebt er von hinten, dass ich fast stürze. Und immer das Rauschen in den Ohren, das die ganze Welt unwirklich macht, das Tappen der Wolfspfoten schluckt, jedes Geräusch der Wölfe, die, die Nase am Boden, der Spur folgen, auslöscht.

SECHZEHN
    Der Wind weht mir die Haare ins Gesicht. Treibt mir die Tränen in die Augen, dass die Welt verwischt. Hier sind keine Läden mehr, keine Wohnhäuser. Wir sind im Industriegebiet, überragt von Hafenkränen. Heute, am Sonntag, ist es hier tot, eine Geisterstadt. Der Sturm bürstet über Fabrikgebäude und Lagerhallen, die rechts und links von uns hinter angeschlagenen Firmenschildern und leeren Parkplätzen stehen. Vor einer rostigen Laderampe parkt ein Lkw. Seine Plane flattert, an einer Ecke angebunden, als versuche sie zu entkommen. Der Wind schiebt einen feuchten, zerbeulten Karton über die Straße. Das Rudel beachtet ihn nicht. Ich sehe ihmnach, passe nicht auf den Boden auf und stolpere über die Gleise im Pflaster. Falle, rolle mich ab und stehe wieder auf. Die Wölfe sind schon weiter, folgen immer noch der Spur. Ich humpele ein paar Schritte, mein Knie brennt, dann geht es wieder.
    Da vorne! Rawuhn, weit voraus, stoppt endlich, setzt sich, Kopf in den Nacken, und heult. Ist das ein Lagerhaus? Wir anderen kommen. Ich als Letzte und mit Seitenstichen. Komme mühsam zu Atem. Norrock wird Mensch und auch Zrrie. Ein langes Gebäude ist es, mehrere Stockwerke hoch. In der Mitte der verwitterten grauen, mit Wellplatten verkleideten Wand ist ein zweiteiliges Tor, das in Rollen hängt. Ein kleiner Spalt
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