Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
fernes Grollen ein Gewitter an.
    »Und trag das nächste Mal bei deinen Berichten nicht so dick auf. Dass du lügst, weiß jeder, aber muss es derart übertrieben sein?«
    Der Vertraute des Tadc verzog die Mundwinkel und verneigte sich. »Entschuldigt, Hoheit, aber ich dachte mir, dass es ein besseres Licht auf den Thronfolger werfen würde. Immerhin wird es ja auch für die Nachwelt festgehalten. Und wenn Lodrik dann erwachsen und ein kräftiger Mann geworden ist, der Euer Reich wunderbar regiert, wie würde es klingen, wenn es hieße: Der Tadc fiel mit fünfzehn Jahren vom zahmsten Pferd im königlichen Stall, weil er den Steigbügel mit dem Fuß nicht richtig zu fassen bekam?«
    »Nicht sehr gut«, pflichtete Grengor ihm bei, »keineswegs gut. Ich danke dir für deine große Zuversicht, was meinen Sohn angeht. Und was ist mit seiner Hand passiert? Wirklich ein waghalsiges Manöver?«
    »Ich wollte …«, sagte Lodrik, aber der Kabcar schnitt ihm das Wort ab.
    »Halte Er den Mund. Mit Ihm rede ich später. Und du, sprich.«
    »Der Fechtmeister ist ganz aufgelöst, Hoheit.« Stoiko verneigte sich erneut, dem Tadc liefen die Tränen über die Wangen. »Lodrik sollte einen Ausfallschritt machen und dabei einen Schlag gegen seinen Kopf führen. Dabei geriet er ins Ungleichgewicht, als sein rechter Reitsporn den linken Zeh durchbohrte. Vor lauter Schreck ließ er den Säbel fallen, und als er ihn aufheben wollte, griff er wohl aus Versehen in die Klinge, Hoheit.«
    »Es ist nicht die Schuld des Fechtmeisters, Herr Vater, bitte bestrafe Er ihn nicht«, Lodrik hatte seine Stimme erhoben.
    Grengor sah ihn kühl an. »Wenn ich alle die mit dem Tode bestrafen lassen würde, bei deren Unterricht Er sich verletzt hat, wäre ich der letzte Mensch in Tarpol.« Der Herrscher wurde gegen Ende des Satzes immer lauter. »Vermutlich gäbe es dann auch keine Pferde mehr, keine Hunde, Raubvögel oder andere Tiere. Er lässt die Reitsporen zum Fechten an? Er humpelt, weil der Sporn Ihm den Zeh durchbohrt hat?«
    Grengor beugte sich vor, die Hände umklammerten die Sessellehnen. Weiß traten die Knöchel hervor, die Arme zitterten, und die Halsadern des Regenten standen dick hervor. Mansk machte vorsichtshalber einen Schritt zurück.
    »Wie soll mein Herr Sohn denn ein Reich regieren? Wie, frage ich Ihn?« Lodrik starrte seinen Vater an, das Kinn bewegte sich, und immer mehr Tränen quollen aus den Augenwinkeln. »Schau Er sich einmal an, mit dem Mondgesicht, dem Wampen und der Geschicklichkeit eines Fingerlosen. Er kann nicht reiten, nicht kämpfen oder kommandieren.« Grengor hämmerte mit der Faust auf den Sessel. »Und das Schlimmste ist, dass von einem solchen unförmigen Klotz die Zukunft Ulldarts abhängt! Ich habe Angst um den Kontinent, wenn Er nur aus dem Zimmer geht!« Der hohe Raum verstärkte die Lautstärke der Schreierei Grengors, der letzte Satz hallte noch immer zwischen den Wänden und Säulen hin und her.
    Der Tadc weinte und wimmerte nun ungehemmt, was den Regenten aber nur zu neuen Tiraden anstachelte.
    Der Offizier sah das Mitleid in den Augen Stoikos, und auch er fühlte so etwas wie Verständnis für den Jungen. Die anfängliche Schadenfreude war verschwunden.
    »Er ist eine Blamage für uns, für Tarpol und vielleicht sogar für ganz Ulldart. Was hat Ulldrael der Weise sich dabei gedacht, als er diese Prophezeiung schickte?« Der Kabcar beruhigte sich allmählich wieder, suchte eine gemütliche Sitzposition und nahm den Grogbecher wieder in die Hand.
    »Aber ich werde Ihm beibringen lassen, wie ein zukünftiger Regent zu sein hat. Und Oberst Mansk hat mich auf die Idee gebracht.« Der Offizier warf dem Herrscher einen erstaunten Blick zu. »Ihr sagtet zu mir, dass ein Mann an seinen Aufgaben wüchse, oder?«
    Mansk nickte langsam und überlegte insgeheim, welches Schicksal er dem jungen Tadc mit seinen Worten eingehandelt hatte. Auch Stoiko machte ein fragendes Gesicht.
    Lodrik schnüffelte bloß und zog ein Taschentuch aus dem Uniformärmel. Laut dröhnte das Schneuzen durch den Saal. Alle Ahnen und verblichenen Regenten schauten beinahe vorwurfsvoll aus ihren Gemälden auf den dicken Jungen herab.
    »Ich habe in der Tat eine Aufgabe für meinen Herrn Sohn, der Ihn auf das Regieren und Herrschen vorbereiten wird.«
    »Ich will nicht«, kam es bockig vom Tadc, der sich noch mal schnauzte und seinen Vater anfunkelte.
    »Doch, Er wird. Zuerst wollte ich Ihn zum Wohle Tarpols im tiefsten Keller des Palastes
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher