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Schatten ueber Innsmouth

Schatten ueber Innsmouth

Titel: Schatten ueber Innsmouth
Autoren: H. P. Lovecraft
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von Dämonen. Die Kleriker oder Priester oder wie immer man sie jetzt nenne trügen ebenfalls solchen Schmuck als Kopfbedeckung, aber man bekomme nur selten einen von ihnen zu sehen. Andere Exemplare hatte der junge Mann nicht gesehen, obwohl es angeblich viele davon in und um Innsmouth geben solle.
    Die Marshes und auch die anderen drei vornehmen Familien der Stadt die Waites, die Gilmans und die Eliots lebten sehr zurückgezogen. Sie bewohnten riesige Häuser an der Washington Street, und von einigen erzähle man sich, sie hielten gewisse lebende Verwandte versteckt, deren Aussehen ein Auftreten in der Öffentlichkeit verbiete und die offiziell als verstorben gälten.
    Der junge Mann sagte mir zur Warnung, daß viele Straßenschilder abgerissen seien, und fertigte mir eine grobe, doch ausführliche und sorgfältige Skizze von der Stadt an, in die er die wesentlichen Punkte einzeichnete. Nach kurzer Betrachtung war ich sicher, daß sie mir eine große Hilfe sein würde, steckte sie ein und bedankte mich überschwenglich bei dem jungen Mann. Da mir das eine Restaurant, das ich gesehen hatte, einen gar zu trostlosen Eindruck machte, kaufte ich mir einen ansehnlichen Vorrat an Käseplätzchen und Ingwerwaffeln, die mir später das Mittagessen ersetzen sollten. Als Programm für den Tag nahm ich mir vor, die wichtigsten Straßen entlangzugehen, mit jedem Nicht-Einheimischen zu sprechen, den ich treffen würde, und mit dem Acht-Uhr-Bus nach Arkham weiterzufahren. Ich sah bald, daß die Stadt ein typisches und besonders krasses Beispiel für ein heruntergekommenes Gemeinwesen darstellte, doch da ich kein Soziologe war, wollte ich meine ernsthaften Studien auf das Gebiet der Architektur beschränken.
    So machte ich mich also auf meinen systematischen, wenn auch von gemischten Gefühlen begleiteten Rundgang durch die engen, schattendunklen Gassen von Innsmouth. Nachdem ich die Brücke überquert und meine Schritte in Richtung auf das Rauschen des unteren Wasserfalls gelenkt hatte, kam ich nahe an der Marsh Refinery vorbei, aus der merkwürdigerweise überhaupt kein Fabriklärm herausdrang. Das Gebäude stand auf dem Rande des steilen Flußufers in der Nähe einer Brücke und eines Platzes, in den mehrere Straßen einmündeten und von dem ich annahm, daß er früher der Mittelpunkt der Stadt gewesen war, bis er nach dem Freiheitskrieg von dem jetzigen Stadtplatz abgelöst wurde.
    Als ich über die Main Street-Brücke wieder auf die andere Seite des Flusses hinüberging, befand ich mich plötzlich in einem völlig vereinsamten Viertel, das mich irgendwie schaudern ließ. Das Gewirr der verfallenden Walmdächer zeichnete sich als phantastische zackige Linie vor dem Himmel ab, überragt von dem
    gespenstischen, an der Spitze abbröckelnden Turm einer alten Kirche. Manche Häuser an der Main Street waren bewohnt, doch die meisten waren fest mit Brettern vernagelt. In den ungepflasterten. Seitengassen sah ich die schwarzen, gähnenden Fensterhöhlen verlassener Hütten, von denen manche wegen der teilweise abgesunkenen Fundamente bedenklich schief standen. Diese Fensterhöhlen sahen so gespenstisch aus, daß ich meinen ganzen Mut zusammennehmen mußte, um mich nach Osten zu wenden, in Richtung auf das Meer. Das Grauen, das uns ein verlassenes Haus einflößt, wächst sicherlich in geometrischer und nicht nur arithmetischer Proportion, wenn viele solche Häuser beisammenstehen und eine Stadt von äußerster Trostlosigkeit bilden. Der Anblick solch endloser Straßen toter, fischäugiger Leere und der Gedanke an die zahllosen finsteren Kammern, in denen Spinnweben, Erinnerungen und der gefräßige Wurm das Regiment übernommen haben, wecken in uns halb unbewußte Ängste und Abneigungen, gegen die auch die stärkste Philosophie nichts auszurichten vermag.
    Die Fish Street war genau so verlassen wie die Main Street, doch es gab hier immerhin viele Lagerhäuser in massiver Bauweise, die noch in sehr gutem Zustand waren. Beinahe genau dasselbe Bild bot sich mir in der Water Street, nur daß hier die Häuserreihen große Lücken aufwiesen, wo früher die Piere gewesen waren. Keine lebende Seele war zu sehen, außer den vereinzelten Fischern weit draußen auf dem Wellenbrecher, und kein Laut war zu hören außer dem Schwappen der Wellen im Hafen und dem Rauschen der Wasserfälle des Manuxet. Die Stadt ging mir mehr und mehr auf die Nerven, und ich blickte mich verstohlen um, als ich über die baufällige Water Street-Brücke den Rückweg
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