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Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Titel: Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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kann mich nicht erinnern, jemals damit gespielt zu haben. Eher habe ich sie verwettet. Da wir gerade vom Wetten sprechen: Ich wette 100 Dollar, daß mein Pferd deins garantiert beim Mai-Derby um Längen schlägt.»
    Sie hob die Brauen. »Wie stehen denn die Chancen?«
    »Sie haben die gleichen Chancen.«
    »Die Wette gilt. Wie wär’s, wenn du jetzt mitkommst und dir meine preisgekrönte Jährlingsstute ansiehst? In einigen Jahren läßt sie jeden Gegner hinter sich.«
    »Wie hast du sie genannt?«
    Ihre Augen glitzerten, als sie die Terrassentür öffnete. »Naomi’s Honor.«
     
    Sie war so gefaßt gewesen, dachte Kelsey, als sie die Tür zu ihrem Appartement aufschloß, so gelassen. Naomi hatte den Mord so zugegeben, wie eine andere Frau eingestehen würde, daß sie sich das Haar färbt.
    Was für eine Frau war ihre Mutter nur?
    Wie konnte sie es fertigbringen, Tee zu servieren und Konversation zu betreiben? So höflich, so beherrscht, so furchtbar distanziert. Kelsey lehnte sich gegen die Tür und rieb sich die schmerzenden Schläfen. Alles kam ihr wie ein böser Traum vor, das prächtige, große Haus, die geschmackvolle Einrichtung, die Frau, die ihre, Kelseys, Gesichtszüge trug, der Mann der so viel Kraft ausstrahlte.
    Naomis neuester Liebhaber? Schliefen sie in demselben
Raum, in dem ein anderer Mann gestorben war? Er sah aus, als wäre er dazu imstande, dachte sie. Er sah aus, als wäre er zu allem imstande.
    Erschauernd stieß Kelsey sich von der Tür ab und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.
    Warum nur hatte Naomi diesen Brief geschrieben, grübelte sie. Weder hatte es große Gefühle gegeben, noch ein besonderes Willkommen für die verlorene Tochter. Noch nicht einmal verzweifelte Entschuldigungen für all die verlorenen Jahre – nur eine höfliche Einladung zum Tee. Und ein Schuldgeständnis, das ruhig und ohne Zögern abgegeben worden war.
    Als das Telefon klingelte, sah sie das Lämpchen ihres Anrufbeantworters blinken. Kelsey ignorierte beides und wandte sich ab. In zwei Stunden begann ihr Dienst im Museum, und sie wollte vorher mit niemandem sprechen.
    Jetzt mußte sie sich nur davon überzeugen, daß ihre Mutter, die so unverhofft wieder in ihr Leben getreten war, dies nicht auch noch verändern würde. Sie konnte genauso weitermachen wie bisher – mit ihrem Job, ihren Kursen, ihren Freunden.
    Kelsey ließ sich auf das Sofa sinken. Wem wollte sie eigentlich etwas vormachen? Ihr Job war nicht mehr als ein Hobby, die Kurse besuchte sie eher aus Langeweile, und ihre Freunde . . . Die meisten stammten noch aus ihrer Zeit mit Wade und hatten daher, wie es bei vielen Scheidungen der Fall war, entweder Partei ergriffen oder sich vorsichtig zurückgezogen. Ihr Leben war ein einziges Chaos. Als es an der Tür klopfte, reagierte sie nicht.
    »Kelsey.« Ein weiteres ungeduldiges Klopfen folgte. »Machst du jetzt auf, oder muß ich den Hausmeister holen, damit er mir die Tür öffnet?«
    Resigniert erhob sich Kelsey und öffnete die Tür. Draußen stand ihre Großmuter.
    In Erwartung des üblichen Kusses hielt Milicent Byden ihrer Enkelin die Wange hin. Wie stets war sie makellos gekleidet und frisiert. Ihr kastanienbraun gefärbtes Haar war aus dem Gesicht gekämmt, und bei flüchtiger Betrachtung
hatte man sie auf sechzig statt achtzig Jahre geschätzt. Der Figur merkte man strenge Diät und tägliche Gymnastik an. Unter ihrem Nerzmantel trug sie ein hellblaues Chanelkostüm mit den passenden Handschuhen, die sie auf ein Tischchen fallen ließ, ehe sie den Nerz über einen Stuhl legte.
    »Du enttäuschtst mich. Schließt dich in deinem Zimmer ein und schmollst wie ein Kind.« Mit ihren mandelfarbenen Augen betrachtete sie ihre Enkelin, als sie sich setzte und die Beine übereinanderschlug. »Dein Vater macht sich furchtbare Sorgen um dich. Sowohl er als auch ich haben heute mindestens ein halbes Dutzend Mal bei dir angerufen.«
    »Ich war unterwegs. Und Dad hat gar keinen Grund, sich Sorgen zu machen.«
    »Ach nein?« Milicent tippte mit einem ihrer lackierten Fingernägel gegen die Armlehne des Stuhls. »Erst hast du ihn gestern nacht mit der Nachricht überfallen, daß sich diese Frau bei dir gemeldet hat, und dann verschwindest du einfach und gehst nicht einmal ans Telefon.«
    »Diese Frau, wie du es ausdrückst, ist meine Mutter, und du wie auch Vater habt gewußt, daß sie noch lebt. Dies führte zu einer heftigen Auseinandersetzung, die du vielleicht als geschmacklos werten würdest; ich
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