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Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit

Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit

Titel: Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit
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die Sicht leicht, doch die Umgebung änderte sich kaum. Sie blieb genauso kalt und starr, das Licht fahl. Als Rustam den Wald betrat, hörte er die Stämme knarren und knarzen. Sie schwankten hin und her und schüttelten den Schnee von den Ästen. »Ja, habt euch nicht so«, brummte er und tätschelte den Griff seiner Axt. »Die hier ist nicht für euch bestimmt. Sie will keine Wunden in Holz, sondern in saftiges Fleisch schlagen.«
    Die Bäume schienen nicht überzeugt; immer mehr Bewegung kam in den Wald.
    »Ich will nur passieren, nichts weiter!«, rief der Riesenzwerg in die Runde. »Jemandem einen Besuch abstatten, wenn ihr es mir erlaubt. Danach verlasse ich euch sofort. Ich werde nicht lagern und kein Feuer entzünden, und meine Axt bleibt im Gürtel.« Er hob die Hände. »Ich schwöre es! Weshalb ich hier bin, betrifft auch euch. Es geht uns alle an!«
    Endlich beruhigten sie sich, es wurde still. Rustam konnte neugierige Blicke auf sich fühlen, die jeden seiner Schritte verfolgten. Manche stammten von Tieren, aber nicht alle diese Wesen gehörten dem Tierreich an, auch wenn sie sich von Eichhörnchen und Mardern kaum unterschieden. An einigen Stellen, wo Farne und Niederholz wuchsen, hörte er es rascheln und bemerkte huschende Bewegungen. In der Ferne sah er zwischen den Bäumen eine große, majestätische Gestalt mit weit ausladendem Geweih schreiten, die jedoch eine andere Richtung einschlug.
    Den Weg kannte der Riesenzwerg nicht, aber das machte nichts. Sein Ziel konnte ohnehin nicht auf normalem Wege gefunden werden. Also schritt er schnurstracks geradeaus, so, wie er Lücken zwischen den Bäumen fand. Seine Stiefel wirbelten feinen, flockigen Schnee auf, der seine Spuren sofort wieder bedeckte. Es hatte keinen Sinn, sich orientieren zu wollen, denn überall sah es gleich aus. Spuren gab es nicht, und der Blick zum Himmel war nahezu verwehrt. Entweder gab der Wald Rustam wieder frei, oder er würde für immer in seinen Tiefen umherirren. Eingedenk seines Schwures durfte der Riesenzwerg keine Markierungen hinterlassen, wobei er ohnehin bezweifelte, dass diese bleiben würden.
    Dennoch blieb Rustam frohen Mutes. Sein Ziel war klar definiert, und er würde es erreichen. Dessen war er sicher.
    Sobald sich die Nacht langsam herabneigte, bemerkte Rustam eine Veränderung. Der Abstand der Bäume wurde größer, dafür kamen ihre Stämme ihm nun dicker und schwärzer vor. Sogar der Schnee zog sich zurück; es gab immer mehr freie Stellen, die von Eisröschen bewachsen waren. Doch die Gewächse hielten ihre zarten Blüten geschlossen, die Köpfchen geneigt, und kein Duft entströmte ihnen. Was einst ein zauberhafter Ort gewesen sein mochte, ruhte in Totenstille.
    Genau dort stand das Haus. Mehr eine Blockhütte, die auf Stelzen … Oder waren es Hühnerbeine? Früher hätte jeder es sofort erkannt, denn das Haus hielt normalerweise nie still. Doch nun ragte es wie erstarrt empor; Eiszapfen hingen vom Dach herunter, die Tür war geschlossen. Kein Rauch drang aus dem Kamin.
    Rustam hoffte, dass sie zu Hause war, dass es sie noch gab und das Haus nicht das archaische Überbleibsel einer sehr alten Macht darstellte. Er blieb vor dem Eingang stehen und rief hinauf: »Heda! Jemand zu Hause?«
    »Wer wagt es, meinen Schlaf zu stören?«, krächzte es heraus.
    Der Riesenzwerg war über alles erleichtert. »Verzeih mir, Mütterchen, doch es ist wichtig.«
    »Ich weiß selbst, was wichtig ist.«
    »Bitte lass mich ein!«
    »Ich erwarte keinen Besuch.«
    »Doch nun ist er hier.« Rustam hob die Arme. »Ich bin es, Rustam, Ruslanas Sohn!«
    »Der Sohn der Löwin? Sprich, wie geht es ihr?«
    »Wie es uns allen geht, ehrwürdige Baba Jaga. Und deshalb bin ich hier.«
    Knarzend und quietschend öffnete sich die Tür, und das hagere Gesicht einer alten Frau mit langer, spitzer, leicht gekrümmter Nase zeigte sich. »Du wirst also nicht wieder gehen?«
    »Erst wenn wir miteinander gesprochen haben, Großmutter.« Rustam sprach ehrerbietig, aber nachdrücklich. Jeder kannte die Ausdauer der Riesen und Zwerge – um wie viel beharrlicher mochte sie bei einem Wesen sein, das beiden Völkern entstammte?
    Baba Jaga seufzte. »So tritt denn ein, Rustam, Ruslanas Sohn, eingedenk der alten Zeiten.« Kurz darauf neigte sich das Haus knirschend und knarrend auf den Hühnerbeinen, bis Rustam über die Türschwelle steigen und eintreten konnte.
    Seine Augen brauchten eine Weile, bis sie sich an das schummrige Dämmerlicht in der Hütte
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