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Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit

Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit

Titel: Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit
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gewöhnten. Es gab nur einen Raum, mit einer Feuer- und Kochstelle an der rechten Wand, die einen Kaminabzug besaß. Ihr gegenüber standen hintereinander drei schmale Betten, und in der Mitte des Zimmers lag ein großer roter Teppich mit einem fußlosen Tisch darauf und vier Kissen darum. An der linken Wand waren an Haken, Ständern und einem Regal Haushaltsutensilien, Werkzeuge und jede Menge Fläschchen, Krüge und Töpfe allerlei merkwürdigen Inhalts untergebracht.
    Ein Bett war zerwühlt, die mit weißen Laken ausgeschlagene Decke lag halb auf dem Boden. Aus dem zweiten Bett erhob sich soeben eine Frau mittleren Alters. Sie trug ein kariertes Nachthemd, legte sich ein Schultertuch mit langen Fransen um und ging dann zur Kochstelle, wo sie prompt niederkniete und anfing, ein Feuer zu entzünden.
    In der Hütte war es ein wenig kühl, aber durchaus erträglich. Die Luft roch nach altem Holz und getrockneten Kräutern.
    Rustam zog noch am Eingang Jacke und Stiefel aus und ließ beides bei der Tür liegen, zusammen mit seinem Waffengürtel. In dicken Socken schlurfte er über die mächtigen Holzdielen auf den Teppich und ließ sich behaglich auf einem Kissen nieder.
    »Tee, was?«, schlug Baba Jaga, die Ältere, vor und setzte sich ihm gegenüber.
    »Ja, das wäre angenehm«, nahm Rustam dankbar an. Nach dem vielen Bier und Wodka war ihm ein wenig schwummrig, und er brauchte einen klaren Verstand.
    Als das Feuer brannte, wurde es schnell wärmer und auch heller in dem fensterlosen kleinen Raum. Die jüngere Schwester setzte einen Wasserkessel auf und bereitete den Samowar vor. Würziger Duft von Schwarztee, Honig und Wintergewürzen zog durch die Hütte, als sie den ersten Aufguss machte.
    »So, du bist also ihr Herzblatt«, begann die Alte, zündete sich eine langstielige Pfeife an und fügte somit eine weitere Geruchsvariante hinzu. »Hätte nie gedacht, dass es dazu kommt. Und dann noch ein Zwerg! Ha! Wie heißt er gleich, dein Vater?«
    »Taras«, antwortete Rustam. »Er ist groß und sehr kräftig für seine Art, und er hat meine Mutter im Ringkampf besiegt. Hat sie auf den Rücken geworfen und ihre Schultern auf den Boden gedrückt! Sie hat so brüllend gelacht, dass er seither fast taub ist.«
    »Sein Gehör braucht er für gewisse Dinge ohnehin kaum.« Die Alte grinste und zwinkerte. Ihre Augen waren von sehr dunklem Blau, mit einem braunen Rand. »Ruslana ist eine Stolze. Dein Vater muss erhebliche Qualitäten besitzen, sonst gäbe es dich nicht. So, und du bist also Rustam.«
    »Ja, Großmutter.«
    Ein klapperndes Geräusch erklang vom Samowar, an dem die andere Frau herumhantierte und eine dampfende Flüssigkeit in drei Gläser goss. Sie sah kein einziges Mal her, ihr Gesicht lag die ganze Zeit im Dunkel verborgen. Das Tablett mit zwei Gläsern ließ sie stehen, nahm das dritte aber mit sich in ihr Bett, in das sie sich wieder verkroch, den Rücken zum Gast gewandt.
    »Der Tee.« Baba Jaga erhob sich ächzend, wobei ihre hagere Gestalt sich geschmeidiger bewegte, als Rustam vermutet hätte, und holte das Tablett. Sie stellte eine Zuckerdose aus Porzellan dazu, die die Form der Hütte hatte, sowie einen zierlichen silbernen Löffel.
    Rustam bediente sich reichlich am Zucker und nahm einen vorsichtigen Schluck. »Ahh«, machte er begeistert. »Diesen Genuss hatte ich schon sehr lange nicht mehr.«
    »Kein Wunder, du stinkst schon drei Meilen weit gegen den Wind nach Mensch«, sagte die Alte und nahm einen kräftigen Zug. »Wie viele Jahre hast du bei ihnen verbracht?«
    »Ich weiß nicht genau. Zweihundert bestimmt, vielleicht auch mehr.«
    »Warum, bei allen Eisriesen?«
    »Es gefällt mir da. Der Wechsel der Jahreszeiten, das launische Wetter, der merkwürdige Sonnenverlauf und dann diese Menschen – laut und ungehobelt, bösartig, aber liebenswert. Jemand muss ein Auge auf sie haben.«
    »Bah, diese Zeiten sind schon lange vorbei!«
    »Nicht für alle, Baba Jaga. Die Welt der Menschen ist auch ein Teil von uns. Wir mögen uns getrennt haben, aber wir gehören immer noch zusammen.«
    »Ich denke nicht so gut über sie.« Baba Jaga schlug mit dem Löffelchen gegen ihre Lippen. »Was haben sie nur aus mir gemacht! Eine böse Hexe. Ich!« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Manchmal fühlte ich mich sogar geschmeichelt und erfüllte ihre Vorstellung. Warum? Ich weiß es nicht. Weil ich eitel bin, nehme ich an, und selbstgefällig. Doch das ist lange vorbei. Seit Jahrhunderten war ich nicht mehr
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