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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken
Autoren: G. A. Aiken
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Bedürfnis hätte, mich zu sehen.«
    »Du redest immer wie ein Anwalt, wenn ich deine Familie erwähne.«
    Wie üblich hörte es sich bei Sami so an, als habe Bo zu Hause in Ursus County, Maine, eine riesige Familie und nicht nur einen Onkel, der bereit gewesen war, ihn bei sich aufzunehmen, als seine Eltern gestorben waren. Niemand sonst hatte ihn gewollt. Das Rudel seiner Mutter konnte nichts mit einem männlichen Hybriden anfangen, und der andere Bruder seines Vaters konnte nichts mit Bo anfangen. Also hatte Bos Onkel Grigori das Marine-Corps verlassen und war mit Bo nach Maine zurückgekehrt, wo ihn die Einheimischen weitgehend ignoriert hatten. Allerdings hatten sie ihn nur so lange ignoriert, bis sie herausgefunden hatten, dass er ein guter Eishockeyspieler war. Eishockey bedeutete in Ursus County alles.
    Am Anfang war es jedoch nicht leicht gewesen. Bo hatte für einen Bären als »klein« gegolten, und Eishockeyspiele unter reinen Bärenmannschaften – auch wenn sie nur in der Junioren- oder Bezirksliga ausgetragen wurden – waren nichts für Leute mit körperlichen Defiziten oder einer Herzschwäche. Trotzdem hatte Bo in jenen Jahren viel gelernt, während er gegen größere Vollblut-Bären gespielt hatte, die ihn für klein und nutzlos hielten. Unter anderem hatte er gelernt, fies zu sein.
    Er war sich seines Rufs als Hockeyspieler bewusst, und soweit es ihn anging, hatte er sich diesen Ruf auch rundum verdient. Es gab zwei Regeln, wenn er auf dem Eis war: Der Puck gehörte ihm, und wenn man versuchte, Bo Novikov seinen Puck wegzunehmen, tat er alles, was nötig war, um ihn sich zurückzuholen. Die Vehemenz seines Angriffs hing dabei jeweils davon ab, ob Bo den Spieler allgemein für eine größere oder eher kleinere Bedrohung hielt. Je größer die Bedrohung, desto schlimmer der Schaden. Als er noch kaum einen Meter fünfundachtzig groß gewesen war und gegen Bären gespielt hatte, die mindestens einen Kopf größer waren als er, war diese Taktik durchaus sinnvoll gewesen, da er seine geringere Körpergröße durch den angerichteten Schaden wieder wettmachen konnte. Bo hatte seine Spielweise jedoch auch nach seinem Wachstumsschub nicht geändert. Der einzige Unterschied war, dass er nun so groß und kräftig war, dass er den zwanzigfachen Schaden anrichten konnte.
    Aber was noch schlimmer war … Bo war das egal.
    Sein Ziel war es, zu gewinnen. Das war es immer gewesen, und das würde es auch immer sein. Das Geld, die Verträge, die Frauen – all das bekam er zwar nur, weil er gewann, aber es war das Gewinnen an sich, das Bo jeden Tag wieder aufs Eis lockte. Es war das Gewinnen, das ihn dazu trieb, alles zu tun, was er tun musste, um dem anderen Typen den Puck wieder abzunehmen. Es war schon seltsam, aber er benahm sich nicht so räuberisch, wenn er auf der Suche nach etwas zu essen war, und bei nichts anderem in seinem Leben war er so besitzergreifend.
    »Brauchst du ein bisschen Geld für die Reisekasse?«, fragte er Sami, da er keine Lust hatte, weiter über seinen Onkel oder die Stadt zu reden, die er vor so langer Zeit verlassen hatte.
    »Nee. Wir haben noch ein bisschen Geld von unserem letzten Job übrig.«
    Mit ihrem letzten »Job« meinte Sami höchstwahrscheinlich das letzte Ding, das sie und Sander gedreht hatten. Sie waren nun mal Füchse, und Füchse klauten gern. Sami war eine Polarfüchsin und entstammte einem sehr alten Eskimogeschlecht. Sander war ein Alaska-Fuchs, dessen Familie aus Kodiak stammte. Bo war es einfach nicht gelungen, sie loszuwerden, als er nach Ursus County gezogen war. Beide hatten sich praktisch ab seinem ersten Tag in der Grundschule an ihn geklammert. Ganz egal, wohin es Bo in seiner Karriere auch verschlagen hatte, irgendwann hatte er immer Sami und Sander entdeckt, die ihm von der Tribüne aus zuschauten – oder er war nach dem Training nach Hause gekommen und hatte sie in seiner Wohnung vorgefunden, wo sie auf seinen Möbeln fläzten und sich sein Essen schmecken ließen.
    Er hatte gelernt, es einfach zu akzeptieren, und solange sie hinter sich aufräumten und ihre Veranlagung zur Unordnung im Griff hatten, genoss er ihre Gesellschaft.
    »Okay, aber lass mich wissen, wenn du was brauchst.«
    »Du bist so ein guter Eisbär«, zog Sami ihn auf. »Ich bin froh, dass du zu uns gehörst.«
    »Als hätte ich irgendeine Wahl gehabt.«
    »Hattest du nicht!«, lachte sie.
    »Siehst du das?«, fragte Mitch und hob seine Mähne, wodurch Blayne gezwungen war, auf
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