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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib
Autoren: Claudia Weiss
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traditionell geprägt schienen. Im Amsterdamer Geschäftsleben war natürlich wenig Raum für jüdische Traditionen. Umso mehr würde ein Mensch wie er sie wohl aufs Familiäre verlagern. Ruth war schon bei Esther aufgefallen, dass sie sich trotz aller Führungsaufgaben im Hause doch grundsätzlich der Meinung und dem Willen ihres Mannes Jakob unterordnete, ganz gleich, ob sie seine Einstellungen teilte oder nicht. Als Ehefrau von Benjamin würde Ruth wohl auch zu solchen Verhaltensweisen finden müssen, versüßt von opulentem Luxus, der dann ihr tägliches Leben einhüllte.
    »… Wenn es so weitergeht, dann werde ich meine Reisetätigkeiten sehr bald einstellen müssen«, drang die Stimme von Syndikus Lorenz in Ruths Gedanken, der soeben ausführlich seine Rückreise aus Riga geschildert hatte. »Aber das ist noch bei weitem nicht alles, liebe Freunde. Und gerade für Euch, Abelson, dürfte es von großem Interesse sein, dass die Dänen wieder einmal den Zugang zum Hamburger Hafen im Würgegriff halten. Jedes Schiff wird bis zur letzten Schiffsratte inspiziert. Finden die Dänen nur ein Körnchen Schwarzpulver, nur eine noch so verbeulte Muskete, dann beschlagnahmen sie umgehend das Schiff samt der ganzen Ladung. Vor dem Hafen liegen bereits mehrere Koggen, bis unters Deck beladen mit Kaffee und Gewürzen, die nicht in die Stadt hineingelassen werden. Auch die Passagiere dürfen nicht von Bord, was zu größten Komplikationen führt. Die Kaufmannschaft tobt, aber der Rat hat noch kein Mittel gefunden, sich gegen dieses kriegstreibende Verhalten der Nachbarn zu wehren. In dieser Situation nach Verbündeten zu suchen, wird eines meiner Anliegen in den nächsten Tagen hier in Amsterdam sein. Aber auch für Euch, Abelson, dürfte die Lage einige Schwierigkeiten mit sich bringen. Denn per Schiff ist zurzeit kaum ein Durchkommen nach Hamburg. Und der Landweg … nun, ich berichtete ja schon von derlei Unbill. Fräulein Ruth möchte man so etwas kaum aussetzen.«
    Abelson hörte schweigend zu und nickte bedächtig. »Das klingt nicht gut, Lorenz. In Hamburg warten einige wichtige Geschäfte auf mich.«
    »Lieber Freund«, mischte sich Jakob Levi ein, »mein Haus sei Euer Haus, solange Ihr hier festsitzt. Auch was die Geschäfte angeht, so vertraut auf unsere Bank und meinen Sohn. Wir werden Euch zur Hand gehen, wo wir nur können.«
    »Das ist ein Wort, Jakob, auf das ich gern bauen möchte. Vielleicht könnten wir einander in einigen Dingen auch direkt behilflich sein. Denn die Levi-Bank hat sicherlich ebenfalls kein geringes Interesse an dem, was sich in den letzten Monaten zwischen Frankreich und dem Habsburgerreich abgespielt hat.«
    Jakob Levi verzog sein Gesicht zu einem wissenden Lächeln und schlug zustimmend die Lider nieder.
    »Worum geht es, Vater? Droht schon wieder ein neuer Krieg?«
    »Es tobt schon längst ein neuer Krieg, mein Kind. Im vergangenen Februar hat Philipp von Anjou nach der Krone Spaniensgegriffen und will dort nun als Philipp V. herrschen, ganz zum Wohlgefallen des französischen Königs und zur Unbill des Hauses Habsburg, das seine eigenen Vorstellungen in der spanischen Thronfolge hat.«
    »Ein Bourbone auf dem spanischen Thron? Das dürfte dem Kaiser nicht gefallen.«
    »Genau, mein Kind. Darum zögerte er auch nicht lange, sondern griff umgehend in das Geschehen ein. Einen Monat erst ist es her, seit des Kaisers wohl bester Feldherr, der Prinz Eugen von Savoyen , in Italien dem Franzosen auf dem spanischen Thron ohne Kriegserklärung in der Schlacht bei Carpi zeigte, was man in Wien von den Bourbonen hält. Der französische Marschall Catinat musste sich jämmerlich geschlagen geben. Wir alle sind gespannt, wie dieses Spiel weitergehen wird. Die spanischen Niederlande sind bereits mit einem Fuß in den Konflikt verstrickt. Wenn Europa von Norden und von Süden brennt, kann es in der Mitte, in der wir sitzen, unangenehm heiß werden.«
    »Immer diese Kriege. Das ist doch nichts für die Ohren einer jungen Dame. Können wir nicht wenigstens beim Essen von anderen Dingen sprechen, meine Herren, und den Krieg den Generälen überlassen?« Esther Levi blickte sichtlich überfordert in die Runde.
    »Der Krieg, verehrte Frau Levi«, mischte sich Syndikus Lorenz ein, »wird mehr vom Geld als von Generälen bestimmt. Dennoch habt Ihr natürlich recht, dass wir unsere Erörterungen auf später verschieben können und zunächst Euren köstlichen Kalbsbraten genießen. Ihr seid eine wahre Meisterin
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