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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib
Autoren: Claudia Weiss
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alten Abelson antwortete. »Sicher hast du recht, Vater. Aber ich brauche noch ein bisschen Zeit.«
    »Ich will dich nicht drängen, mein Kind. Doch Benjamin wäre wirklich eine gute Wahl. Heute werden wir gemeinsam mit den Levis und Syndikus Lorenz, der am Vormittag aus Hamburg hier eingetroffen ist, zu Abend speisen. Nutze die Gelegenheit und unterhalte dich ein wenig mit Benjamin. Vielleicht wirst du dann meine Meinung über ihn teilen, und wir könnten noch vor unserer Abreise eine Verlobung arrangieren.«
    Ruth zuckte zusammen. »So schnell?«
    »Eine Verlobung ist noch keine Ehe. Sie brächte dir und mir allerdings eine gewisse Sicherheit für die Zukunft, schenkte uns zugleich aber noch einige Monate gemeinsamen Lebens in Hamburg.«
    Ruth blickte dem alten Mann in die Augen. Ich werde mit ihm reden und über deine Worte nachdenken, Vater.«
    »Mehr erwarte ich zunächst auch nicht von dir, mein Kind.«
5
    D ie Sonne warf ihre letzten warmen Strahlen durch die hohen Fenster des Speisezimmers im Hause der Levis und ließ die schweren Gobelins, welche die Wände schmückten, aufleuchten. Zwei Diener standen schon bereit und warteten nur noch auf ein Zeichen der Dame des Hauses, um die Kerzen in den Lüstern anzuzünden. Die kleine Gesellschaft hatte sich bereits an den schweren Eichentisch gesetzt und ließ sich als Vorspeise eine stärkende Bouillon reichen. Ruth saß neben ihrem Vater, gegenüber von Benjamin, der neben Syndikus Lorenz Platz genommen hatte. Die Eltern Levi saßen an den Kopfenden des Tisches.
    »Ich sage euch, verehrte Freunde, das Reisen ist derzeit alles andere als eine Freude. Ja, tatsächlich ist es so gefährlich geworden, dass ich mich schon so manches Mal frage, warum ich mich immer wieder bereit erkläre, für den Hamburger Rat als Emissär durch die Lande zu ziehen.« Der Syndikus tupfte sich mit der Serviette den Mundwinkel ab und trank einen kräftigen Schluck Rotwein.
    »Erzählt uns, was Ihr erlebt habt, Lorenz. Der Weg von Hamburg nach Amsterdam ist doch meist geruhsam, zumindest, wenn man zu Wasser reist.«
    »Der Weg von Hamburg hierher, Abelson, war eine Kleinigkeit verglichen zu dem, was ich dieses Jahr sonst schon alles erlebt habe. Noch keinen Tag war das neue Jahr alt, als ich mich über Lübeck auf den Weg nach Königsberg machte, um der Krönung des neuen Königs in Preußen, Friedrich I. , beizuwohnen. Nicht nur Schnee und Eis ließen die Reise beschwerlich werden, auch der Krieg, der im Norden immer wieder aufzuflammen scheint, bereitete mir so manches Ungemach. Hinzu kam, dass Königsberg einfach nicht den Komfort bietet, den wir von unseren Städten hier gewohnt sind. Die Preußen haben so ihre eigenen, doch recht mageren Vorstellungen von Luxus. Am schlimmsten waren aber die Soldaten, die überall lagerten, wo man innehielt. Der Krieg ist in jeder Nische spürbar.«
    »Ihr meint den Krieg, den Karl XII. gegen Dänemark führte? Der war doch schneller vorbei, als er überhaupt begann.«
    »Der Krieg gegen die Dänen schon, junger Mann«, kommentierte Lorenz Benjamin Levis Einwurf, »nicht aber der gegen Russland und Sachsen.«
    »Aber die Russen unterlagen doch den Schweden im vergangenen Jahr in der Schlacht bei Narwa. Der Sieg Karls XII. sorgte für ziemliche Turbulenzen an der Amsterdamer Börse. Ich machte einige erfreuliche Gewinne.«
    Ruth biss sich bei diesem Kommentar Benjamins in die Wange, um ja keine Miene zu verziehen. Dann richtete sie ihren Blick angestrengt auf die vor ihr stehende Kristallkaraffe mit Wein, um den Augenblick vorbeiziehen zu lassen.
    »Gut für Euch, junger Mann. Aber das war ja weiß Gott noch nicht alles. Diesen Sommer erst bekamen auch die Sachsen ihr Fett weg. Ich hatte im Frühjahr geschäftlich in Riga zu tun und beobachtete dort den gewaltigen Truppenaufmarsch der Schweden. Alle Straßen waren überfüllt, nirgendwo bekam man mehr ein Pferd. Von den Unterkünften will ich gar nicht erst sprechen. Über achtzigtausend Soldaten hat der Schwedenkönig zusammengezogen. Die Heerschauen im Juni waren gewaltig. Nirgendwo ein Durchkommen. Ich war einfach nur froh, dass ich zurück in Hamburg war, bevor es den Sachsen und den Russen dann im Juli nicht weit von Riga an den Kragen ging. Und jetzt ist ganz Kurland schwedisch. Wohin diese Streitereien noch führen sollen, mag man gar nicht fragen. Schon zweimal hat der russische Zar sich eine blutige Nase an dem Schweden geholt, aber er scheint einfach nicht aufzugeben.«
    Nahezu lautlos
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