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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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DDR nicht erworben werden können. Die CoCom-Verbotsliste wird alljährlich länger. Zudem steigen stetig Rohstoffpreise und Aufwendungen für die Hochrüstung, an denen entsprechend der Bündnisverpflichtungen sich die DDR etwa mit Forschungen in Jena bei Carl Zeiss oder mit Robotron in Dresden beteiligt.
    Zudem ist Schalck als Honeckers politischer Unterhändler in die mit dem Grundlagenvertrag 1972 in Gang gekommenen inoffiziellen Gespräche zwischen Berlin und Bonn eingebunden. Damit weitet sich sein Tätigkeitsfeld erheblich.
    Wie dies dann konkret aussieht, weiß sein Arzt und Freund Heinz Wuschech anschaulich zu berichten.
    Die beiden lernen sich im Sommer 1974 auf einer Feier bei Wolfgang Vogel kennen. Der Rechtsanwalt ist nicht nur Honeckers Unterhändler in humanitären Belangen, sondern auch Wuschechs Patient. Ärzte hassen es, selbst auf Parties mit gesundheitlichen Problemen behelligt zu werden. Aber es ist wohl unausweichlich, dass jede noch so private Zusammenkunft zur Sprechstunde gerät. Das ist wohl überall auf der Welt so, wie wir spätestens seit Kubricks letztem Film »Eyes Wide Shut« wissen.
    Schalck klagt bei Wuschech über Schmerzen im Knie, was er selbst auf sein Übergewicht schiebt, und über Kreislaufprobleme. Wuschech lässt ihn daraufhin im sportmedizinischen Leistungslabor von Dynamo Berlin auf Herz und Nieren prüfen, die Resultate fordern eine drastische Gewichtsreduzierung durch Ernährungsumstellung und reichlich Bewegung. Im Keller in Schalcks Wohnhaus in der Berliner Manetstraße wird ein Hometrainer installiert, und Wuschech überwacht regelmäßig den Ritt auf dem Fahrradergometer. Gehetzt von Terminen, stets in Zeitnot, trampelt Schalck mehrmals in der Woche zwei Stunden, und Wuschech steuert aufgrund der Puls-und Blutdruckwerte die Belastung. Dabei redet man über Gott und die Welt, was schließlich zu einer Freundschaft führt, die allen Belastungen standhält. Eben weil es eine Freundschaft ist und kein auf wechselseitigen Zugewinn eingegangenes Zweckbündnis.
    Oft springt Schalck, so Wuschech, vom Rad, weil ein Minister am Telefon etwas von ihm will, oder weil er irgendwelche Papiere unterzeichnen muss, die ein Kurierfahrer vorbeibringt. Schalck ist ein Getriebener, ohne jedoch darüber zu klagen oder unzugänglich zu sein. Denn das unterscheidet ihn auch von seinesgleichen: Er kann (und will) zuhören. Er interessiert sich tatsächlich für die Belange jedes Einzelnen, der an ihn herantritt. Das ist sein Vorzug und zugleich sein Dilemma. Wer Schalcks Ohr hat, hat ihn auch ganz. Wozu er auch selber einlädt. Als Visitenkarte hinterlässt er bei nahezu jedem das ernst gemeinte Angebot: Wenn du mal was brauchst, melde dich … Daran erinnern sich alle.
    Die DDR wird in wirtschaftspolitischer Hinsicht von einem Triumvirat geführt: Honecker, Mittag, Schalck-Golodkowski. An den Generalsekretär kommt man kaum heran, Mittag ist unnahbar, mit dem, so weiß jeder, der ihn je erlebte, kann man nicht reden. So fokussiert sich alles auf den leutseligen, umgänglichen Schalck. Jeder, der ein Bewerbchen hat, spricht bei ihm vor: von Wolfgang Berghofer über Walter Womacka und Karl-Eduard von Schnitzler bis hin zum Kombinatsdirektor oder Klinikchef.
    Schließlich muss Schalck doch unter Wuschechs Messer im Krankenhaus in Weißensee. Der operiert ihn am Meniskus, und anders als andere prominente Personen, die ohne ein Wort des Dankes die Klinik verlassen, ist er selbst der letzten Schwester dankbar, dass sie sich um ihn gesorgt hat. Bis zur Wende, mehr als zehn Jahre lang, schickt er fortan am Frauentag, am Tag des Gesundheitswesens und zu Weihnachten jemanden mit Blumen und kleinen Aufmerksamkeiten für die Schwestern auf die Station. Ohne Anlass, einfach so.
    Als Dietmar Keller, Ex-Kulturminister, sich bei Wuschech Anfang der 90er Jahre unters Messer begibt und von dessen Verbindung zu Schalck hörte, reagiert der entsetzt. »Glauben Sie ihm etwa? Alles, was der Ihnen erzählt, dient der Rechtfertigung. Er war ein Freibeuter in der DDR und mitschuldig an deren Untergang.«
    Die Gespräche mit dem einstigen SED-Kulturfunktionär bleiben Wuschech in unangenehmer Erinnerung. Keller kolportiert die Phrasen und Plattheiten aus der Presse, als nehme er sie für bare Münze, was Wuschech insofern befremdet, als Keller es eigentlich besser wissen sollte: Er war dabei und kam nicht erst nach dem Untergang der DDR zur Welt und zur Besinnung. Auch Kellers Kulturministerium profitierte von
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