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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen
Autoren: Robert Silverberg
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gefährlichen Ansammlungen cerebrospinaler Flüssigkeit abzuleiten. Ich sollte Ihnen jedoch nicht verheimlichen, daß die Arbeitsweise des Ventils umkehrbar ist. Auf ein telemetrisch gegebenes Signal hin kann es Flüssigkeit in die Ventrikel pumpen, statt sie aus ihnen abzuleiten. Ich steuere die Arbeitsweise des Ventils mittels eines piezoelektrischen Kristalls, das hier in meine Handfläche eingepflanzt ist. Ein Druck, und das Ventil schließt sich. Ein stärkerer Druck, und es öffnet sich in der Gegenrichtung und pumpt Flüssigkeit in die Ventrikel zurück. Ich kann Ihre Lebensprozesse unterbrechen. Ich kann Ihnen innerhalb von Sekunden Schmerzen von der Art verursachen, die Sie eben kennen gelernt haben. Auf dieselbe Weise könnte ich in kurzer Zeit Ihren Tod herbeiführen.«
    Der alte Mann hat sich schon gefaßt. Sein Gesichtsausdruck ist völlig undurchdringlich. Schweigend überdenkt er Schadrachs Erklärung.
    Nach einer langen Pause räuspert er sich und sagt: »Warum haben Sie mir das angetan, Mordechai?«
    »Um mich zu schützen, Herr.«
    Der andere zeigt die Andeutung eines kalten Lächelns. »Sie dachten, ich würde Ihren Körper für das Projekt Avatara verwenden?«
    »Ich war dessen sicher.«
    »Falsch. Es wäre nie dazu gekommen. Sie sind mir zu wichtig, so wie Sie sind, Doktor.«
    Schadrach verneigt sich. »Ich danke Ihnen, das ist gut zu hören.«
    »Sie denken, ich lüge. Aber ich sage Ihnen, daß wir das Projekt Avatara niemals mit Ihnen als dem Spender verwirklicht haben würden. Mißverstehen Sie mich nicht, Mordechai. Ich versuche nicht, Sie um etwas zu bitten. Ich sage Ihnen einfach, wie die Dinge wirklich stehen.«
    »Ich verstehe, ja. Aber ich weiß, was Sie über die Entbehrlichkeit des einzelnen gesagt und geschrieben haben. Ich fürchtete, daß man im Begriff war, mich entbehrlich zu machen. Darum habe ich mich unentbehrlich gemacht.«
    »Würden Sie mich töten?« fragt der alte Mann.
    »Wenn ich spürte, daß mein Leben in Gefahr ist, ja.«
    »Was würde Hippokrates dazu sagen?«
    »Auch Ärzte haben das Recht zur Selbstverteidigung, Herr.«
    Der alte Mann lächelt. Er scheint Spaß an diesem Gespräch zu finden. Sein lederiges Gesicht zeigt keine Spur von Zorn oder Enttäuschung. »Angenommen«, sagt er in dem nachdenklichen Ton eines Mannes, der eine nur spekulative Hypothese zur Sprache bringt, »angenommen, ich ließe Sie von Sicherheitsbeamten unerwartet überwältigen, bewegungsunfähig machen, ehe Sie die Hand zur Faust ballen können, und zu Tode bringen?«
    Schadrach schüttelt den Kopf. »Das Gerät in meiner Hand ist an die elektrische Ausgangsspannung meines Gehirns gebunden. Wenn ich sterbe, wenn mein Bewußtsein in irgendeiner Weise künstlich gelöscht oder verändert wird, wenn es zu einer nennenswerten Unterbrechung meiner Gehirnwellen kommt, dann beginnt das Ventil automatisch cerebrospinale Flüssigkeit in Ihre Ventrikel zu pumpen. Der Augenblick meines Todes ist demnach das automatische Vorspiel zu Ihrem eigenen. Unsere Geschicke sind miteinander verknüpft. Schützen Sie mein Leben in Ihrem eigenen Interesse.«
    »Und wenn ich das Ventil aus meinem Kopf entfernen und durch eins ersetzen lasse, das nicht ganz so… ah… vielseitig ist?«
    Schadrach schüttelt den Kopf. »Sie könnten sich keinem chirurgischen Eingriff unterziehen, ohne daß mein Signalsystem mich davon unterrichten würde. Natürlich wurde ich sofort Abwehrmaßnahmen ergreifen. Nein. Wir sind eine Einheit in zwei Körpern geworden, und dabei wird es bleiben.«
    »Sehr schlau. Wer hat dieses mechanische Wunderding für Sie gebaut?«
    »Buckmaster.«
    »Buckmaster? Aber der ist seit Mai tot. Damals konnten Sie nicht gewußt haben…«
    »Buckmaster ist noch am Leben, Herr«, sagt Schadrach leise.
    Der Vorsitzende denkt darüber nach. Er wird sehr nachdenklich. Lange verharrt er in Stillschweigen.
    »Noch am Leben. Seltsam.«
    »Ja.«
    »Ich verstehe das nicht.«
    Schadrach antwortet nicht.
    Nach einiger Zeit sagt der Vorsitzende: »Sie haben in mir eine Bombe gelegt.«
    »So könnte man sagen, ja.«
    »Meine Macht erstreckt sich über die ganze Menschheit. Und Sie haben Macht über mich, Mordechai, Sie haben mich buchstäblich in der Hand. Begreifen Sie, was das bedeutet? Sie sind jetzt der wahre Vorsitzende!« Er lacht rau auf. »Verstehen Sie? Ist Ihnen klar, was Sie erreicht haben?«
    »Der Gedanke ist mir durch den Kopf gegangen, ja«, gibt Schadrach zu.
    »Sie könnten meinen Rücktritt
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