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Scepter und Hammer

Scepter und Hammer

Titel: Scepter und Hammer
Autoren: Karl May
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Schuldigkeit thun! Gibt es ja Einen oder den Andern, dessen man nicht vollständig sicher ist, so bekommt er Urlaub, die beste Methode, quere Köpfe einstweilen auf die Seite zu bringen. Ich bin hier Oberstkommandirender, habe ein Regiment Infanterie, eine Kompanie Schützen und zwei Feldbatterien zu befehligen und werde mit ihnen zur rechten Zeit am Platze sein so gewiß, als ich hier sitze und auf das Gelingen des Unternehmens mit Ihnen anstoße.«
    Sie ließen die Gläser zusammenklingen; dann meinte der Kleine: »Und die Bevölkerung Ihres Kreises?«
    »Ist mit der jetzigen Regierung höchst unzufrieden. Wir befinden uns hier im bevölkertsten Fabrikdistrikte des Landes; Handel und Gewerbe stocken nicht blos, sondern liegen ganz und vollständig darnieder; der Arbeiter hungert mit seiner Familie; die Sozialdemokratie erhebt ihr Haupt und heult um Rache und Hülfe überall, am kleinsten Orte tagen Meetings und Versammlungen, in denen der Kreuzzug gegen die Aristokratie, gegen die besitzenden Klassen gepredigt wird. Was wollen Sie? Ich höre schon den muthigen Schritt der Arbeiterbataillone, welcher alles Widerstrebende zertreten und zermalmen wird. Die Schaaren der Turner, die Vereine der Bürgergarden, sie bedürfen nur der brauchbaren Waffe, um nach der Residenz geführt zu werden. Das hiesige Zeughaus birgt viele tausend Gewehre: ich lasse sie vertheilen und stelle mich an die Spitze der Bewegung; der Teufel soll mich holen, wenn dieses Beispiel nicht sofort im ganzen Lande Nacheiferung findet!«
    »Dazu bedarf es einer tüchtigen Vorbereitung des Landes, mit welcher wir leider noch nicht genugsam vorgeschritten sind. Wir dürfen unser Exempel nicht mit Hoffnungen machen, die uns betrügen können, sondern müssen mit Thatsachen arbeiten, deren wir sicher sind. Ueber Ihren Kreis, Herr Oberst, bin ich vollständig beruhigt; ich glaube Ihren Versicherungen und werde dem geheimen Komité einen befriedigenden Bericht abstatten. Mit dem Augenblicke des Losschlagens dürfen Sie die Generalsepauletten anlegen, und Ihre weiteren Chancen haben Sie dann in der eigenen Hand. Sie sind einer von den wenigen Stabsoffizieren, denen wir unbedingtes Vertrauen schenken, und ich bin überzeugt, daß Sie dieses Vertrauen vollständig rechtfertigen werden. – Doch – da kommt der Zug. Ich bitte, mich nicht nach dem Perron zu begleiten; man muß vorsichtig sein. Weitere Ordres werden Ihnen auf dem bisherigen Wege zugehen.«
    Er erhob sich, reichte ihm die Hand und verließ das Wartezimmer. Draußen war der Train bereits vorgefahren. Er verlangte nach erster Klasse und erhielt ein Coupé angewiesen, in welchem bereits ein Herr saß, welcher allem Anscheine nach dasselbe schon längere Zeit innegehabt hatte.
    Es begann zu dämmern, doch konnte man sich gegenseitig noch ganz genau erkennen.
    Der Fremde trug durchweg einen graukarrirten Anzug; seinen Kopf bedeckte ein breitrandiger Panamahut, und auf der Spitze seiner Adlernase balancirte in verwogener Stellung ein blauglasiges Pincenez, welches mit dem feinen Teint des Angesichtes scharf kontrastirte. Die feinen Bockstiefeletten und die fleischfarbenen Gummihandschuhe zeigten ebenso wie der wohlgepflegte Backenbart und die schwergoldene Uhrkette, daß er gewohnt sei, auf seine äußere Erscheinung die möglichste Sorgsamkeit zu verwenden. Man mußte auf den ersten Blick den Engländer in ihm erkennen.
    »Guten Abend!« grüßte der Schwarze.
    »Good evening!«
antwortete der Graue und drehte den Kopf langsam dem Eingestiegenen zu.
    Kaum hatte er ihn erblickt, so ergriff er den blauen Zwicker und ließ ihn von der Nasenspitze nach der gehörigen Stelle zurückretiriren. Der Blick, welchen er jetzt scharf durch die blauen Gläser warf, war erstaunt, verächtlich und feindselig zugleich. Hatte er in dem kleinen Manne eine ihm verhaßte Persönlichkeit erkannt?
    »Sie reisen auch nach der Residenz, Sir?« frug dieser, als er es sich bequem gemacht hatte.
    Der Gefragte zog statt der Antwort ein goldenes Etui hervor, entnahm demselben eine Cigarette und steckte sie in Brand.
    »Ich freue mich, bis dahin Gesellschaft zu finden. Eine Reise ohne Unterhaltung gehört zu den größten Unannehmlichkeiten, welche ich kenne.«
    Der Graue ließ das Fenster nieder, wandte sich gleichmüthig von seinem Gegenüber ab und blickte hinaus auf die in optischer Täuschung vorüberfliegende Landschaft.
    »Hier meine Karte, Sir! Darf ich wissen, mit wem mich der glückliche Zufall zusammenführt?«
    Auf der
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